Das
Gebiet unserer Kreise gehört zu den am stärksten industrialisierten
Westfalens. Diese reiche und dabei bodenständige Industrie hat eine
lange Geschichte. Schon die Werdener Heberegister nennen um 1050 in
Haarhausen bei Schwelm einen Eisenschmied, und Caesarius von Heisterbach
berichtet um 1225 von Töpfern im Norden des: Ennepe-Ruhr-Kreises. Je
weiter nach der Gegenwart hin, umso deutlicher erscheint unsere Heimat
wirtschaftlich nach drei Seiten hin orientiert, der Westen wird noch
beeinflußt von der Textilindustrie des Wuppertals, der Osten steht im
Zeichen der Eisenindustrie, und der Norden erhält sein Gepräge durch die
Kohle.
Der
Ausgangspunkt der Textilindustrie war die Wuppertaler Garnbleicherei auf
den Wupperwiesen, die schon im 16. Jahrhundert eine große Bedeutung
hatte. Im Kampf gegen sie ist die Schwelmer Bleicherei hochgekommen.
1788 zeigt die Karte des Schwelmer Pastors Müller über 40 Bleichen, die
sich vom Amt Langerfeld bis nach Gevelsberg hin erstreckten. Das
Einkaufsgebiet für Rohgarne reichte bis nach Hessen, Braunschweig und
Hildesheim. Die Garne wurden von den Bleichern mit Pottasche gekocht,
auf den Rasen gelegt und von den Bleicherknechten mit sog. „Güten“,
schmalen langstieligen Wasserschaufeln, mit Wasser aus den Gräben
überspritzt. Die Absatzgebiete für die gebleichten Garne waren Flandern,
Brabant und Frankfurt a. O. Das feuchte Klima, die reine Luft machte die
Bleiche unsers Gebiets zur besten des Kontinents; sie wurde in Europa
nur noch von der irischen übertroffen. Erst in neuerer Zeit trat die mit
chemischen Mitteln arbeitende Schnellbleicherei an ihre Stelle.
Durch
die Einführung der Baumwolle bekam die Textilindustrie einen ungeahnten
Aufschwung. Es reihten sich an die Färberei, bes. die
Türkisch-rot-Färberei, die gegen das Ende des 18. Jahrhunderts aufkam,
die Eisengarn-Fabrikation und die Veredlung der Baumwolle. Neben die
Garnveredelung trat seit Anfang des 18. Jahrhunderts die Weberei. Der
Schwelmer Johann Sternenberg holte 1702 Weber aus Belgien herüber. Es
wurden außer glattem Leinen noch Drell, Drillich, Zwillich, Bettziechen,
Siamosen, Barchent und feineres Leinenzeug gewebt, und zwar durch
Heimarbeiter, die über den Westen des Kreises weit verstreut waren. Seit
Einführung der Jacquard-Maschine um 1840 ging die Schwelmer Firma
Sternenberg, die zu den ersten Leinenfabrikanten Deutschlands gehörte,
zur fabrikmähigen Produktion über.
Heute
ist die Herstellung von Bändern aus Leinen, Baumwolle oder Seide und von
Spitzen in den Vordergrund getreten. Für die Spitzenherstellung wurde
von einem Langerfelder der Riemengang erfunden, eine Maschine, die nicht
webte, sondern flocht. Die Fabrikanten legten Gewicht auf immer neue
kunstvolle Muster; Absatzgebiete waren Italien, Holland, Rußland, Polen.
Auf maschinellem Wege hergestellte Langerfelder Klöppelspitzen gingen
bis nach Amerika. Einige Fabrikanten, die auch Gummiband herstellen,
liegen im Schwelmer Gebiet. In Ölkinghausen, Schwelm und Haßlinghausen
wohnen noch eine Anzahl Heimbandwirker, die von den Kaufleuten
Wuppertals sich Ketten und Einschlag holen und dann das fertige Band
abliefern. Die älteste noch bestehende Schwelmer Firma ist Friedrich
Lohmann (gegr. 1758). Anfänglich wurden die Wollen- und Leinenbänder in
der Kiepe ins Münsterland gebracht und dort verkauft. Die bedeutendste
Firma im Hagener Raum wurde 1820 durch Karl Elbers und den Färber
Quincke als Türkischrot-Färberei unter Beteiligung der Seehandlung in
Berlin gegründet. In den 60er Jahren folgte die Angliederung einer
mechanischen Weberei und Spinnerei. 1869 errichten die Inhaber eine
eigene Gasanstalt, 1898 wurde eine große elektrische Zentrale
eingerichtet, in einer Zeit, als sonst die Verwendung der elektrischen
Energie in der hiesigen Industrie noch wenig ‚bekannt war 1907 begann
man mit dem Bau einer Arbeiterkolonie. Der Export ging nach allen
Ländern der Erde.
Dazu
entwickelten sich zahlreiche Hilfsindustrien: Die großen Textilwerke
sind zwar zur eigenen Herstellung ihrer Maschinen übergegangen, es
arbeiten aber doch noch mehrere Spezialfirmen. Noch sind zu nennen die
Buchdruckerei, Buchbinderei, Kartonagen und Musterfabrikation, chemische
Fabriken, Leim- und Lackfabriken, Ziegeleien, Steinbruchbetriebe und
Kalkbrennereien.
Eisenindustrie
Die noch
ältere Eisenindustrie verdankt ihre Entstehung dem Vorkommen von
Eisenerzen, dem Waldreichtum und den vielen Bächen. Noch heute zeigen
mächtige Schlackenhalden in unsern Tälem und Ortsnamen (wie Hütte,
Schmitteborn und Singerhop usw.), wo der Schmied werkte. Die älteste
urkundliche Nachricht über unsere Eisenindustrie steht in dem Werdener
Heberegister aus der Mitte des 11. Jahrhunderts, laut dem Eggihard von
Haarhausen bei Eynern dem Kloster Werden u. a, Kessel und andere eiserne
Gerätschaften als jährliche Abgabe liefern mußte. Durch Benutung der
Wasserkraft nach dem Vorbild der Wassermühle im 15. Jahrhundert wurde
die direkte Eisengewinnung in eine indirekte umgewandelt. Mit dem
zweimaligen. Schmelzen des Eisens wurde der „Frischprozeß“ erfundern
dadurch gewann man ein besonders weiches, zähes Eisen. Die Wasserkraft
diente zur Verstärkung des Gebläses, trieb auch den Fallhammer, denn der
Handhammer erwies sich jetzt dem viel größeren Schmelzblock gegenüber
als unwirksam. Die Schmiede, bisher an den hochgelegenen, zugigen
Talstücken der Bäche gelegen, wanderte hinab ins Tal. Um immer
gleichmähiges Gefälle auf das Wasserrad zu bekommen, staute der Schmied
den Bach zum Hammerteich, wobei er auch das Tal entsumpfte. In diesen
Hütten, die nach ihrem wichtigsten Bestandteil „Hämmer“ genannt wurden,
verarbeitete er das Schmelzprodukt zu den verschiedenen Eisensorten für
Drahtzieher, Schlosser und Schmiede. Neben die schweren Stabhämmer
traten im 16. Jahrhundert die leichteren Schwanzhämmer. Die Erzeugnisse
waren damals schon Sensen, Sägen, Pfannen und Schlösser. Breckerfeld war
wegen seiner Messer bekannt, auch Hattingen besaß im 15. Jahrhundert
eine Eisen- und Stahlfabrikation. Der Absatz ging über Köln, Dortmund,
‚Soest auf die Weltmärkte.
Nach dem
Niedergang der Hanse zogen auch die Hammerwerksbesitzer mit der Kiepe
auf dem Rücken oder der Haubenkarre auf die Märkte Nord- und
Ostwestfalens. Durch die Ansiedlung bergischer Klingenschmiede 1661 in
Eilpe und 1664 in Wetter erhielt unsere Eisenindustrie einen mächtigen
Auftrieb. Neben Säbelklingen machten sie auch Messer; Abnehmer waren das
preußische Militär, Holland, Belgien, Livland und Polen. Von Eilpe kamen
auch die Meister, die 1732 zwangsweise von Friedrich Wilhelm I. nach
Rußland geschickt, dort die Klingenfabrik in Tula einrichten mußten.
Später stellten sich die Fabrikanten auf Sensen, Strohmesser,
gewöhnliche Messer, Taschenmesser und Sackhauer um. Erst 1870 endete in
Wetter die Klingen und Messerfabrikation, der die Stadt ihre Blüte
verdankt.
Wetter, die Freiheit
Ende des
17. Jahrhunderts kam aus dem Remscheider Gebiet das Geheimnis der
bergischen Rohstahlindustrie in das Hogericht Schwelm, wo Holzkohle zum
Frischen und Steinkohlen zum Raffinieren näher und billiger, die
Schmiede aber von lästigen Zunftgesetzen frei waren. Die bei Delstern,
Zurstraße, Vörde und Sprockhövel festgestellten Rot- und
Brauneisenstein-Vorkommen erwiesen sich nun als unrentabel. Die Eisen-
und Manganerzeförderung im Selbeckertal kam nur zu einem Zwergbetrieb.
Billigeres und besseres Rohmaterial bezog man aus dem Siegerlande. Es
wurde hier noch einmal gefrischt und unter dem Rohstahlhammer zu einer
vierkantigen Stange ausgereckt. Solche Rohstahlhämmer befanden sich an
fast allen Bächen unsers Gebiets. Zu den ersten in der Mark gehört der
um 1700 erbaute Hammer bei Schöpplenberg, der 1888 stillgelegt wurde und
dann in der Hasper Sperre versank. Im Hagener Raum stand der älteste
Hammer in Eilpe; bedeutende Rohstahlschmiede waren hier Friedrich
Engels, J. C. Söding, der von Verneis bei Vörde stammte, und Joh. H.
Elbers, dessen Stahl 1822 von der kgl. Hauptmünze. Berlin besonders
gelobt wurde. Einen Höhepunkt hatte die Fabrikation um die Mitte des 19.
Jahrhunderts. Von da ab war der Holzkohlenrohstahl gegenüber dem
besseren und z. T. auch billigeren Guß-Zement- und Puddelstahl nicht
mehr konkurrenzfähig.
Dasselbe
Schicksal hatten die besonders in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts
blühenden Reck- und Raffinierhämmer. Die unter dem Reckhammer zu langen
dünnen Stäben ausgereckte Rohstahlstange wurde in zwei Stücke
geschlagen, eine Anzahl davon zusammengefaßt, geschweißt und
geschmiedet, bis ein gleichmähiges Erzeugnis, der Raffinierstahl,
erzielt war. Der Puddelstahl wurde 1828 in Wetter von Friedrich Harkort
erfunden, dann in Haspe und Hagen in größeren Mengen produziert. Das
Hasper Werk wurde 1847 gegründet. Führend wurden dann Eicken & Co. (ab
1853) und Funcke & Elbers (ab 1856). Im Kreis Hagen wurde 1852 die
Produktion auf 20000 dz, 1860 auf 100000 dz geschätzt. Verdrängt wurde
der Puddelstahl durch den Bessemer- und Siemensmartinstahl.
Das
Verfahren zur Gewinnung von Gußstahl wurde in Hagen weiter ausgebildet.
Friedrich Huth gründete daselbst 1843 die erste Gußstahlfabrik in
Westfalen, er wurde auf der Londoner Ausstellung mit einem Preis
bedacht. Diese Industrie entwickelte sich besonders in Wetter, Hagen,
Wehringhausen, Delstern und an der Enneper Straße. Das Material wurde
verwandt für Klingen, Feilen, Werkzeuge und Eisenbahnfedern.
Der
Zementstahl kam zuerst nach Gevelsberg, wo Melchior Bertram die
Fabrikation bedeutend förderte, und dann um 1845 nach Hagen. Im Kreis
Hagen gab es 1853 dreizehn Zementstahlöfen, 1860 zwanzig. Unser Gebiet
war führend in diesem Fabrikat, doch der Zementstahl war zu teuer. Seit
1870 ging die Produktion stark zurück; heute gibt es in der Mark keinen
Zementstahlofen mehr.
Die
Erzeugnisse aus diesem Rohmaterial wurden immer vielseitiger. Von
Bedeutung war wieder, daß Melchior Bertram und Peter Merklinghaus 1756
den ersten bergischen Kleinschmiedemeister aus Remscheid kommen ließen,
der zunächst Schlittschuhe schmiedete: Der heimische Schleifer aber
versagte, man ließ auch noch einen Remscheider Schleifer kommen. Es
folgten die Kleinschmiede Jakobus, Arnold und Peter Dörken, die
Ahnherren der bedeutenden Gevelsberger Firma. Sie stellten Feuerzangen,
Feuerschüppen, Bögknie, Klinken und Grendels her. Bald kam auch die
Sägenindustrie aus dem Bergischen herüber und in den 80er Jahren die
„weiße Sensen“-Industrie. Man unterschied die blaue, rein stählerne
Sense (schon 1719 in Hagen hergestellt), die Plettenberger Sense (nur
verstählt und mit dem Stein geschliffen) und die „weißse“ Sense (mit
Stahleinlage an der Schneide und gegen den Stein geschliffen).
Auch die
„Sack- und Dullhäuer“, d.h. Messer für die westindischen Kaffee- und
Zuckerplantagen, wanderten in der gleichen Zeit aus Solingen nach der
Enneper Straße. Die ebenfalls aus dem Bergischen stammende
Breitewarenindustrie fand in unserm Heimatgebiet sogar eine solche
Blüte, daß die bergische Industrie ihr gegenüber erlag.
Seit
Mitte des 18. Jahrhunderts kam auch die Amboßschmiederei in Aufnahme.
Ihre Erzeugnisse sind schwere Hämmer, Ambosse, Sperrhörner und
Pumpenstangen.
Die
Bedeutung der Kleineisenindustrie für unsere Heimat geht daraus hervor,
daß 1789 allein im Hogericht Schwelm über 200 Kleinschmiede ansässig
waren, etwa 60 Jahre später war die Zahl auf 1100 gestiegen.
Das 19.
Jahrhundert brachte einen weiteren Aufschwung. Als besonderer Zweig
entwickelte sich de Blechschmiederei. Schlösser wurden in Haspe, Voerde,
Volmarstein und Wengern, Grundschöttel und Berge bis Mitte des 19.
Jahrhunderts in Heimarbeit hergestellt. Eilpe und Eppenhausen hatten
schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts Schloßfabrikation, besonders
aber kann Volmarstein behaupten, daß es kein Land der Erde gibt, in dem
seine Schlösser nicht verwandt werden.
Mit dem
neuen Jahrhundert begann dann auch die Konzentration der Herstellung.
Die Ware wurde nicht mehr vom Hammerschmied zum Schleifer und dann zum
Reider gebracht, sondern in derselben Fabrik (ganz) fertiggestellt. Das
ist die letzte Stufe der Entwicklung unserer Eisenindustrie, die heute
ein fast unübersehbares Bild darbietet. Rohmaterial wird nicht mehr
hergestellt. Dafür starkes Aufblühen der Fabrikation von Schrauben (Schwelm,
Milspe, Vörde, Hagen und Winz) und Nägeln (Schwelm und Gevelsberg). Die
Entwicklung der landwirtschaftlichen Maschinen hat die Herstellung von
Sensen und Sicheln zurückgedrängt, dafür aber die Fabrikation jener
Maschinen und ihrer Ersatzteile gefördert (Milspe, Voerde, Altenvoerde,
Gevelsberg). Gevelsberg blieb auch die Stadt der Sackhauer, Plantagen-
und Gartengeräte; von hier erhielten die verschiedensten Länder der
Erde, u. a. West- und Nordafrika, Mexiko ihre eigenartigen Spaten, die
Zuckerrohrplantagen Südamerikas und Westindiens ihre Zuckerrohrmesser
und Kaffeestecher. Amboßschmiederei ist noch in Gevelsberg und Milspe zu
Hause. Viele Hämmer haben sich auf Breitewaren, d.i. Pflugscharen,
Schaufeln. und Spaten, umgestellt (Milspe, Gevelsberg, Herdecke). Für
Gießlöffel und Pfannen haben seit den 80er Jahren die Walzwerke den
Hämmern große Konkurrenz gemacht, das größte ist das Klöckner-Werk in
Haspe. Möbel- und Baubeschlag erarbeiten Milspe, Schwelm, Voerde,
Altenvörde, Gevelsberg und Hagen. Der Gründer der Firma A. Bilstein in
Vörde führte: 1870 die Fabrikation von Fenstergetrieben aus Frankreich
ein. Gesenkschmiedereien finden wir in Gevelsberg, Voerde und Hagen. Für
Eisenbahnbedarf arbeitet die Firma Dörken A.G. in Gevelsberg, wo auch
Herde und Öfen fabriziert werden. Schuhmachermaschinen liefert Schwelm,
zwei große Werke in Hagen Feuerwehr- und Turngeräte, das Schwelmer
Eisenwerk eiserne Fässer und Zeppelintanks; mehrere Werke in Schwelm
machen Wasch-und Wringmaschinen; Fahrradteile stellen Gevelsberg, Milspe
und Hagen her. Die Autoindustrie hat ihre Standorte in Hagen, Voerde und
Altenvoerde. Kaffeemühlen werden in Schwelm, Scheren besonders in Voerde
gemacht, dessen Schafscheren, bis nach 'Südamerika wanderten.
Emaillierwerke sind in Schwelm und Gevelsberg, daselbst auch Fabrikation
von Knöpfen, Stiefeleisen und Schuhnägeln.
Groß ist
auch die Zahl der Gießereien (Hagen, Gevelsberg, Milspe, Schwelm,
Wetter, Wengern). Die Schwerindustrie vertritt Wetter mit der Firma
Demag und Harkort-Eicken. Der Norden des Kreises hat eine hervorragende
Industrie. für Bergwerksartikel entwickelt (Winz, Hattingen, Sprockhövel
und Milspe). Das bedeutendste Werk des EnnepeRuhr-Kreises, die
Henrichshütte in Winz mit 8000 Beschäftigten, wurde 1853 von dem
Besitzer des Hauses Bruch, Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode,
gegründet, der — veranlaßt durch die zwischen Hattingen und Herbede
festgestellten Eisenerznester und die benachbarte Kohle —. die
bergmännischen Erfahrungen seiner Heimat am Harz auf seine Besitzung ‚an
der Ruhr übertragen wollte. Hier war die blühende Tuchindustrie im
Absterben, und die Hütte erwies sich als Retter in der Not. Sie stellte
Roheisen, Eisenbahnschienen und Maschinenteile für den Bergbau her. 1904
\ erwarb die größte Lokomotivfirma des Kontinents, Henschel & Co.,
Kassel, das Werk. Fast das gesamte Stahlmaterial für Lokomotiv-,
Schiffsund Maschinenbau wurde von der Henrichshütte geliefert. Ihr
Kundenkreis er‚streckt sich über das Inund Ausland. Die Firma hat für
ihre Arbeiter die schöne Gartenstadt Hüttenau gebaut. — Bedeutsam ist
auch die Hanfund Drahtseilfabrik Puth in Blankenstein. Ihr Gründer war
der kurhessische Seilergeselle Heinrich Puth, der bei dem
Bergseilermeister Dünnebier in Blankenstein in Dienst trat, sich dann
1848 selbständig machte. 1859 schuf er im Auftrag der
Bergisch-Märkischen Eisenbahn das Drahtseil, mit welchem die Züge von
Erkrath nach Hochdahl hinaufgezogen wurden; das nur mit Menschenkraft
hergestellte Seil war 1000 m lang und wog 150 Zentner. — In den lebten
Jahrzehnten ist auch die Leichtmetallgießerei in Aufnahme gekommen: Das
Hauptwerk liegt in Milspe, kleinere Betriebe in Altenvoerde und
Gevelsberg.
Steinkohlenbergbau
Der
dritte wirtschaftliche Pfeiler unsers Gebiets war die Steinkohle (siehe
Geologie). Der Bergbau wurde, wo die Kohle anstand, von altersher neben der
Landwirtschaft getrieben; urkundlich läßt er sich bis etwa 1547
verfolgen. Im Haßlinghauser Gebiet stand die Wiege des Ruhrbergbaus. Die
Kohlen wurden im Tagebau oder durch Stollen gefördert. Bis Mitte des 18.
Jahrhunderts trieb man nur Raubbau für den Hausbrand und die Kalköfen,
während die schon bedeutende Industrie immer noch mit Holzkohle
arbeitete. 1735 zählte man im Amte Wetter 35 Bergwerke, im Amte
Blankenstein 30, im Gericht Herbede 7. 1754 lagen aber im Amt Wetter von
43 Bergwerken 23 still, im Amt Blankenstein 24 von 44, im Gericht
Herbede 8 von 18, im Haßlinghauser Gebiet 10 von 22. Im Gebiet Wetter,
Herdecke, Boele, Boelerheide war der Bergbau ganz unbedeutend.
Die
Kohlen der südlichen Zechen gingen in beschwerlichen Transporten in die
Täler der Volme, Ennepe, Wupper und weiter ins Bergische. Die nördlichen
Zechen litten unter ungünstigen Verkehrsverhältnissen. Der Plan von
1649, den Überschuß an Kohle, Kalk, Salz und Steinen auf der Ruhr nach
Cleve zu verfrachten, wurde nicht durchgeführt.
Der
Bergbau war ein Regal, so daß von der Förderung der Zehnte abgegeben
werden mußte. Die Gründung eines Bergamtes und der Erlaß einer
Bergordnung 1737 stellte die Zechen unter stärkere Kontrolle. Wenn diese
staatliche Bevormundung auch Gefahren in sich barg, so fuhr der Bergbau
doch gut dabei, weil die Vertreter des Staates weitschauende Männer
waren wie Heinitz und vom Stein. An den Namen des ersteren knüpft sich
auch die Entwicklung des Straßenwesens in der Grafschaft Mark zwischen
1788 und 1800 (siehe Verkehrswesen). Die zunächst im Staatsinteresse gebauten
Straßen kamen dem einheimischen Gewerbe zugute, ebenso wie die 1780
vollendete Schiffbarmachung der Ruhr. Damit war für den Norden unsers
Heimatgebiets der Weg in die Welt geöffnet. Nur noch die Haßlinghauser
und Sprockhöveler Zechen blieben auf die „Kohltreiber“ angewiesen, um
1789 etwa 300, die mit Pferden die Kohlen ins Bergische brachten. Das
war jedoch bei starken Niederschlägen und im Winter meist unmöglich. So
wurden sie von den nördlichen Zechen überflügelt; wenn sie nicht zum
Erliegen kamen, so verdankten sie das der geringeren Teufe. 1805 waren
die Stock & Scherenbergschen Gruben die ergiebigsten der ganzen
Grafschaft Mark. Das Haßlinghauser Gebiet erlebte erst nach der
Napoleonischen Zeit einen wirtschaftlichen Aufschwung. Durch
Zusammenlegung entstand 1871 das Bergwerk „Deutschland“, bis 1902 waren
fast alle Haßlinghauser Zechen zu einem Ganzen vereinigt. Inzwischen
waren die Haßlinghauser Zechen 1883 durch die Eisenbahn Barmen—Hattingen
und 1889 durch die Strecke Silschede—Schee in Bahnnähe gebracht.
Ruine Hardenstein an der Ruhr
Die
erste Gewerkschaft, die zum Tiefbau überging, war die bei Sprockhövel,
aber im Amt Hattingen liegende Zeche „Alte Haase“. Auch die zweite
Sprockhöveler Zeche „Barmen“ hatte sich seit 1904 gut entwickelt, mußte
aber 1924 wegen Absatzmangels als Folge des ersten Weltkrieges
stillgelegt werden, wie 1925 auch „Alte Haase“. Die Anlagen wurden auf
Abbruch verkauft. Und da ereignete sich etwas, was in der Geschichte des
Bergbaus einzig dasteht. Das Volk erhob sich gegen die rein
wirtschaftlich bestimmten Maßnahmen des Kapitals. Ein Essener
Unternehmer erschien, um die Abbrucharbeiten vorzubereiten. Diese
Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch das Dorf, die
Sturmglocke der Kirche wurde geläutet, und durch das wilde
Schneegestöber eilten die Leute zur Zeche, um die gemeinsame Ernährerin
vor der Zerstörung zu schützen. Die Leute bewahrten bewunderungswürdige
Ruhe und mieden jede Feindseligkeit gegen die Abbruchkommission. Sie
besetzten die Anlagen, ein Tag- und Nachtwachdienst wurde eingerichtet
und die Unterhaltungsarbeiten sofort begonnen, freiwillig und ohne
Bezahlung. So wurde „Alte Haase" gerettet, und der Bergmann behielt
seine Arbeit. Die Zeche hatte vor dem letzten Krieg eine Belegschaft von
etwa 1300 Mann und förderte täglich rund 1500 t. Sie hat moderne
Aufbereitungsanlagen, eine Eierbrikettfabrik sowie eine Turbinenanlage,
die monatlich über 1 Million Kilowatt erzeugt. Schon vor 1914 nahm der
Bergbau im Norden unsers Gebiets an Bedeutung ab. In Notzeiten (wie nach
1918 und um 1940) suchte man die alten Förderstellen noch einmal auf,
aber ohne Erfolg. So arbeiten nur noch „Barmen" und „Alte Haase“,
„Elisabethenglück“ in Durchholz, „Cleverbank“, „Klosterbusch“ und
„Gideon" in Herbede, „Aurora“ in Blankenstein, „Heinrich“ in Altendorf,
„Neu-Wülfingburg“ in Albringhausen. Die bedeutendsten sind „Alte Haase“
und „Klosterbusch“.
Erzbergbau und
-verhüttung
Im Jahre
1847 wurde nördlich und südlich der Ruhr bis nach Barmen hin
Kohleneisenstein festgestellt, das in England bereits bekannte und zu
Roheisen verarbeitete „Blackband“. Gleichzeitig hatte man bei Hattingen
Spateisenstein gefunden. Diese Vorkommen bildeten die Grundlage für eine
neue Hüttenindustrie. Die „Henrichshütte“ verarbeitete Blackband. 1855
kam auch die bei Haspe gelegene „Markanahütte“ wieder in Betrieb; sie
bezog den Eisenstein aus dem benachbarten Schlebuscher Revier. Die A.G.
„Neu-Schottland“ errichtete 1855-1857 in Haßlinghausen eine
Hochofenanlage, da Kohle, Eisenstein und der notwendige Kalkstein hier
in unmittelbarer Nachbarschaft lagen. Diese Hütte gehörte zu den
bedeutendsten des ganzen rhein.-westf. Industriegebiets. Aber die an die
Verhüttung des Kohleneisensteins geknüpften Hoffnungen erfüllten sich
nicht. Das Roheisen genügte nicht völlig; dazu kam Bahnferne und die
Einführung des Bessemer-Verfahrens. Aus dem Flußeisen wurden besonders
Eisenbahnschienen und anderes Eisenbahnmaterial hergestellt; für das
Verfahren brauchte man phosphorarme Erze, das war der Kohleneisenstein
nicht. Ausgang der 70er Jahre gelang es beim Bessemer-Verfahren den
Phosphor aus dem Stahl zu entfernen, was auch wieder ein Aufblühen der
Haflinghauser Erzgewinnung zur Folge hatte. Bis 1911 hat die Förderung
gedauert, dann wurde der Abbau nicht mehr als lohnend angesehen. Nach
dem Erliegen der Zechen spielte hier das Unternehmen der Glashütte eine
große Rolle, sie stellte weißes Hohlglas her, aus den Abfällen
produzierte die Isola in Haßlinghausen eine Packwolle.
Gevelsberg, Wasserburg Rocholz
Neben
der Kohlen- und Eisenerzgewinnung tritt auch der Bergbau auf Alaun in
unserm Gebiet an mehreren Stellen auf, so bei Wehringhausen seit 1840,
die Förderung wurde aber Ende der 40er Jahre wegen Unrentabilität
eingestellt. In Eppenhausen bildete sich 1833 eine Gesellschaft zur
Gewinnung von Alaun aus den Alaunschiefern auf dem Grunde des Freiherrn
von Hövel. Es sollten Alaun, Vitriol und Bittersalz gewonnen werden, aus
den Rückständen wollte man noch Ziegelsteine backen; später wurde auch
eine Düngerfabrik angeschlossen; da die Fabrikation aber einen
unerträglichen Geruch verursachte, ging diese Anlage 1854 wieder ein. —
Das dritte Werk dieser Art ist „Rote Berge“ beim Schwelmer Brunnen. Es
war im Staatsbesitz und urkundlich 1576 bereits „in gutem Stande“.
Täglich wurden etwa 10 Zentner Vitriol gewonnen, der nach Holland ging.
Als aber der holländische Markt an die Engländer verloren ging, wurde
das Werk, dessen Ergiebigkeit zudem nachließ, 1685 geschlossen. Anfang
des 19. Jahrhunderts wurden die Roten Berge an die Harkortsche
Bergwerksgesellschaft verkauft, die erneut gute Ausbeute erzielte. Man
faßte auch die Errichtung eines Hochofens ins Auge und begann die
Vitriolgewinnung noch einmal, doch erfolglos. Man gewann dann fast nur
Schwefelkies für die Hasper Schwefelsäurefabrik. Wegen starker
Wasserzuflüsse wurde die Förderung 1865 eingestellt. Seit 1871 wurde in
der Zeche Schwelm auf den Roten Bergen erneut Eisenstein und
Schwefelkies gewonnen (Höhepunkt 1880/81 mit 1.730.000 dz Eisenstein und
744.000 dz Schwefelkies). Von kurzfristigem Betrieb abgesehen ruhte die
Zeche seitdem.
Industrie der Steine
Zu den
bodenständigen Industrien gehören auch noch Steinbruchbetrieb und
Kalkbrennerei. Kalksteinbrüche und -brennereien finden sich in der
breiten Mitte unsers Gebietes. Im - Norden von Sprockhövel und
Haßlinghausen bis zur Ruhr wird der auch für feinere Steinmetzarbeiten
geeignete Sandstein gebrochen, wie man an den Grabsteinen aus dem 16.
Jahrhundert auf den nördlichen Friedhöfen sieht. Mit dem Einsatz des
Lastkraftwagens hat sich die Lage dieser Industrie gebessert. Hierher
gehören auch die Ziegeleibetriebe in Vörde, Linderhausen, Gevelsberg,
Haßlinghausen und Sprockhövel, sowie das Werk der „Ton- und
Sandgruben-Gesellschaft"" bei Linderhausen, das aus tertiären Sanden
Ziegel und feuerfeste Steine herstellt.
Elektroindustrie
Die
Talsperren ermöglichten die Gewinnung von Elektrizität in größerem Maße.
Die Agfu in Gevelsberg und Elektromark in Herdecke sind hier zu nennen.
Überhaupt hat die Elektro-Industrie in unserm hochindustrialisierten
Gebiet eine ganze Anzahl von Betrieben ins Leben gerufen. Das
bedeutendste Werk ist die 1887 gegründete Hagener Akkumulatorenfabrik.
1888 wurden bereits Hagener Akkumulatoren für die Zugbeleuchtung auf der
Mailand-Nordbahn gebraucht. Drei Zweigfabriken im übrigen Deutschland,
weitere in Österreich, Ungarn, Rußland, England, Spanien, Italien,
Schweiz und der Tschechei wurden gegründet, doch blieb das Hagener Werk
das größte. Es wurde 1890 unter Mitwirkung der Berliner Firmen Siemens &
Halske und der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft in eine A.G.
verwandelt. Das Werk hat die Bleivergiftung so erfolgreich bekämpft, daß
diese Berufskrankheit nunmehr als vollständig zurückgedrängt gelten
kann.
Papierindustrie
Auch die
Papierindustrie ist hier alt. In Hagen-Delstern errichtete Matthias
Vorster bereits 1693 die erste Papiermühle; eine zweite wurde bald
nachher in der Stennert angelegt. Absatzgebiet war vor allem Holland. Es
wurde Maschinenpapier, Bütten-, Pack-, Tabak- und Stempelpapier
fabriziert. Seit 1815 liefert das Werk dem preußischen Staat besonders
Büttenpapier und sämtliches für das Papiergeld notwendige Rohpapier,
1852 stellte man eine Papiermaschine ohne Ende auf. So standen die
Vorsterschen Papiermühlen lange Zeit mit an der Spitze im preußischen
Staat. Die Papierfabrik Kabel wurde 1896 gegründet, sie produzierte
vornehmlich Zeitungspapier; 1908 stand das Werk mit 30.000 t jährlich an
der Spitze der deutschen Papierfabrikation. Die heute bedeutende
Papierfabrik Friedrich Erfurt & Sohn in Dahlhausen, 1827 gegründet,
erzeugt besonders Tapetenpapier.
Musikinstrumente-Bau
Die
Vielseitigkeit unserer Industrie kommt auch in dem Bau von
Musikinstrumenten zum Ausdruck. Die berühmte Pianoforte- und
Flügelfabrik Rudolf Ibach stammt schon aus dem Jahre 1794; sie hat
seit 1883 in Schwelm ihr Hauptwerk. Ähnlichen Ruf hat die Firma Roth &
Junius in Hagen. Die Orgelbauanstalt Paul Faust in Schwelm, gegründet
1880, hat Werke in Westfalen, Rheinland, auch in Holland, England,
Schweden und Polen stehen. nächste
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