Die neuzeitliche Entwicklung des Gewerbes

Kreis Ennepe-Ruhr - Stadt Hagen

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Das Gebiet unserer Kreise gehört zu den am stärksten industrialisierten Westfalens. Diese reiche und dabei bodenständige Industrie hat eine lange Geschichte. Schon die Werdener Heberegister nennen um 1050 in Haarhausen bei Schwelm einen Eisenschmied, und Caesarius von Heisterbach berichtet um 1225 von Töpfern im Norden des: Ennepe-Ruhr-Kreises. Je weiter nach der Gegenwart hin, umso deutlicher erscheint unsere Heimat wirtschaftlich nach drei Seiten hin orientiert, der Westen wird noch beeinflußt von der Textilindustrie des Wuppertals, der Osten steht im Zeichen der Eisenindustrie, und der Norden erhält sein Gepräge durch die Kohle.

Textilindustrie

Der Ausgangspunkt der Textilindustrie war die Wuppertaler Garnbleicherei auf den Wupperwiesen, die schon im 16. Jahrhundert eine große Bedeutung hatte. Im Kampf gegen sie ist die Schwelmer Bleicherei hochgekommen. 1788 zeigt die Karte des Schwelmer Pastors Müller über 40 Bleichen, die sich vom Amt Langerfeld bis nach Gevelsberg hin erstreckten. Das Einkaufsgebiet für Rohgarne reichte bis nach Hessen, Braunschweig und Hildesheim. Die Garne wurden von den Bleichern mit Pottasche gekocht, auf den Rasen gelegt und von den Bleicherknechten mit sog. „Güten“, schmalen langstieligen Wasserschaufeln, mit Wasser aus den Gräben überspritzt. Die Absatzgebiete für die gebleichten Garne waren Flandern, Brabant und Frankfurt a. O. Das feuchte Klima, die reine Luft machte die Bleiche unsers Gebiets zur besten des Kontinents; sie wurde in Europa nur noch von der irischen übertroffen. Erst in neuerer Zeit trat die mit chemischen Mitteln arbeitende Schnellbleicherei an ihre Stelle.

Durch die Einführung der Baumwolle bekam die Textilindustrie einen ungeahnten Aufschwung. Es reihten sich an die Färberei, bes. die Türkisch-rot-Färberei, die gegen das Ende des 18. Jahrhunderts aufkam, die Eisengarn-Fabrikation und die Veredlung der Baumwolle. Neben die Garnveredelung trat seit Anfang des 18. Jahrhunderts die Weberei. Der Schwelmer Johann Sternenberg holte 1702 Weber aus Belgien herüber. Es wurden außer glattem Leinen noch Drell, Drillich, Zwillich, Bettziechen, Siamosen, Barchent und feineres Leinenzeug gewebt, und zwar durch Heimarbeiter, die über den Westen des Kreises weit verstreut waren. Seit Einführung der Jacquard-Maschine um 1840 ging die Schwelmer Firma Sternenberg, die zu den ersten Leinenfabrikanten Deutschlands gehörte, zur fabrikmähigen Produktion über.

Heute ist die Herstellung von Bändern aus Leinen, Baumwolle oder Seide und von Spitzen in den Vordergrund getreten. Für die Spitzenherstellung wurde von einem Langerfelder der Riemengang erfunden, eine Maschine, die nicht webte, sondern flocht. Die Fabrikanten legten Gewicht auf immer neue kunstvolle Muster; Absatzgebiete waren Italien, Holland, Rußland, Polen. Auf maschinellem Wege hergestellte Langerfelder Klöppelspitzen gingen bis nach Amerika. Einige Fabrikanten, die auch Gummiband herstellen, liegen im Schwelmer Gebiet. In Ölkinghausen, Schwelm und Haßlinghausen wohnen noch eine Anzahl Heimbandwirker, die von den Kaufleuten Wuppertals sich Ketten und Einschlag holen und dann das fertige Band abliefern. Die älteste noch bestehende Schwelmer Firma ist Friedrich Lohmann (gegr. 1758). Anfänglich wurden die Wollen- und Leinenbänder in der Kiepe ins Münsterland gebracht und dort verkauft. Die bedeutendste Firma im Hagener Raum wurde 1820 durch Karl Elbers und den Färber Quincke als Türkischrot-Färberei unter Beteiligung der Seehandlung in Berlin gegründet. In den 60er Jahren folgte die Angliederung einer mechanischen Weberei und Spinnerei. 1869 errichten die Inhaber eine eigene Gasanstalt, 1898 wurde eine große elektrische Zentrale eingerichtet, in einer Zeit, als sonst die Verwendung der elektrischen Energie in der hiesigen Industrie noch wenig ‚bekannt war 1907 begann man mit dem Bau einer Arbeiterkolonie. Der Export ging nach allen Ländern der Erde.

Dazu entwickelten sich zahlreiche Hilfsindustrien: Die großen Textilwerke sind zwar zur eigenen Herstellung ihrer Maschinen übergegangen, es arbeiten aber doch noch mehrere Spezialfirmen. Noch sind zu nennen die Buchdruckerei, Buchbinderei, Kartonagen und Musterfabrikation, chemische Fabriken, Leim- und Lackfabriken, Ziegeleien, Steinbruchbetriebe und Kalkbrennereien.

Eisenindustrie

Die noch ältere Eisenindustrie verdankt ihre Entstehung dem Vorkommen von Eisenerzen, dem Waldreichtum und den vielen Bächen. Noch heute zeigen mächtige Schlackenhalden in unsern Tälem und Ortsnamen (wie Hütte, Schmitteborn und Singerhop usw.), wo der Schmied werkte. Die älteste urkundliche Nachricht über unsere Eisenindustrie steht in dem Werdener Heberegister aus der Mitte des 11. Jahrhunderts, laut dem Eggihard von Haarhausen bei Eynern dem Kloster Werden u. a, Kessel und andere eiserne Gerätschaften als jährliche Abgabe liefern mußte. Durch Benutung der Wasserkraft nach dem Vorbild der Wassermühle im 15. Jahrhundert wurde die direkte Eisengewinnung in eine indirekte umgewandelt. Mit dem zweimaligen. Schmelzen des Eisens wurde der „Frischprozeß“ erfundern dadurch gewann man ein besonders weiches, zähes Eisen. Die Wasserkraft diente zur Verstärkung des Gebläses, trieb auch den Fallhammer, denn der Handhammer erwies sich jetzt dem viel größeren Schmelzblock gegenüber als unwirksam. Die Schmiede, bisher an den hochgelegenen, zugigen Talstücken der Bäche gelegen, wanderte hinab ins Tal. Um immer gleichmähiges Gefälle auf das Wasserrad zu bekommen, staute der Schmied den Bach zum Hammerteich, wobei er auch das Tal entsumpfte. In diesen Hütten, die nach ihrem wichtigsten Bestandteil „Hämmer“ genannt wurden, verarbeitete er das Schmelzprodukt zu den verschiedenen Eisensorten für Drahtzieher, Schlosser und Schmiede. Neben die schweren Stabhämmer traten im 16. Jahrhundert die leichteren Schwanzhämmer. Die Erzeugnisse waren damals schon Sensen, Sägen, Pfannen und Schlösser. Breckerfeld war wegen seiner Messer bekannt, auch Hattingen besaß im 15. Jahrhundert eine Eisen- und Stahlfabrikation. Der Absatz ging über Köln, Dortmund, ‚Soest auf die Weltmärkte.

Nach dem Niedergang der Hanse zogen auch die Hammerwerksbesitzer mit der Kiepe auf dem Rücken oder der Haubenkarre auf die Märkte Nord- und Ostwestfalens. Durch die Ansiedlung bergischer Klingenschmiede 1661 in Eilpe und 1664 in Wetter erhielt unsere Eisenindustrie einen mächtigen Auftrieb. Neben Säbelklingen machten sie auch Messer; Abnehmer waren das preußische Militär, Holland, Belgien, Livland und Polen. Von Eilpe kamen auch die Meister, die 1732 zwangsweise von Friedrich Wilhelm I. nach Rußland geschickt, dort die Klingenfabrik in Tula einrichten mußten. Später stellten sich die Fabrikanten auf Sensen, Strohmesser, gewöhnliche Messer, Taschenmesser und Sackhauer um. Erst 1870 endete in Wetter die Klingen und Messerfabrikation, der die Stadt ihre Blüte verdankt.

Wetter, die Freiheit

Ende des 17. Jahrhunderts kam aus dem Remscheider Gebiet das Geheimnis der bergischen Rohstahlindustrie in das Hogericht Schwelm, wo Holzkohle zum Frischen und Steinkohlen zum Raffinieren näher und billiger, die Schmiede aber von lästigen Zunftgesetzen frei waren. Die bei Delstern, Zurstraße, Vörde und Sprockhövel festgestellten Rot- und Brauneisenstein-Vorkommen erwiesen sich nun als unrentabel. Die Eisen- und Manganerzeförderung im Selbeckertal kam nur zu einem Zwergbetrieb. Billigeres und besseres Rohmaterial bezog man aus dem Siegerlande. Es wurde hier noch einmal gefrischt und unter dem Rohstahlhammer zu einer vierkantigen Stange ausgereckt. Solche Rohstahlhämmer befanden sich an fast allen Bächen unsers Gebiets. Zu den ersten in der Mark gehört der um 1700 erbaute Hammer bei Schöpplenberg, der 1888 stillgelegt wurde und dann in der Hasper Sperre versank. Im Hagener Raum stand der älteste Hammer in Eilpe; bedeutende Rohstahlschmiede waren hier Friedrich Engels, J. C. Söding, der von Verneis bei Vörde stammte, und Joh. H. Elbers, dessen Stahl 1822 von der kgl. Hauptmünze. Berlin besonders gelobt wurde. Einen Höhepunkt hatte die Fabrikation um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Von da ab war der Holzkohlenrohstahl gegenüber dem besseren und z. T. auch billigeren Guß-Zement- und Puddelstahl nicht mehr konkurrenzfähig.

Dasselbe Schicksal hatten die besonders in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts blühenden Reck- und Raffinierhämmer. Die unter dem Reckhammer zu langen dünnen Stäben ausgereckte Rohstahlstange wurde in zwei Stücke geschlagen, eine Anzahl davon zusammengefaßt, geschweißt und geschmiedet, bis ein gleichmähiges Erzeugnis, der Raffinierstahl, erzielt war. Der Puddelstahl wurde 1828 in Wetter von Friedrich Harkort erfunden, dann in Haspe und Hagen in größeren Mengen produziert. Das Hasper Werk wurde 1847 gegründet. Führend wurden dann Eicken & Co. (ab 1853) und Funcke & Elbers (ab 1856). Im Kreis Hagen wurde 1852 die Produktion auf 20000 dz, 1860 auf 100000 dz geschätzt. Verdrängt wurde der Puddelstahl durch den Bessemer- und Siemensmartinstahl.

Das Verfahren zur Gewinnung von Gußstahl wurde in Hagen weiter ausgebildet. Friedrich Huth gründete daselbst 1843 die erste Gußstahlfabrik in Westfalen, er wurde auf der Londoner Ausstellung mit einem Preis bedacht. Diese Industrie entwickelte sich besonders in Wetter, Hagen, Wehringhausen, Delstern und an der Enneper Straße. Das Material wurde verwandt für Klingen, Feilen, Werkzeuge und Eisenbahnfedern.

Der Zementstahl kam zuerst nach Gevelsberg, wo Melchior Bertram die Fabrikation bedeutend förderte, und dann um 1845 nach Hagen. Im Kreis Hagen gab es 1853 dreizehn Zementstahlöfen, 1860 zwanzig. Unser Gebiet war führend in diesem Fabrikat, doch der Zementstahl war zu teuer. Seit 1870 ging die Produktion stark zurück; heute gibt es in der Mark keinen Zementstahlofen mehr.

Die Erzeugnisse aus diesem Rohmaterial wurden immer vielseitiger. Von Bedeutung war wieder, daß Melchior Bertram und Peter Merklinghaus 1756 den ersten bergischen Kleinschmiedemeister aus Remscheid kommen ließen, der zunächst Schlittschuhe schmiedete: Der heimische Schleifer aber versagte, man ließ auch noch einen Remscheider Schleifer kommen. Es folgten die Kleinschmiede Jakobus, Arnold und Peter Dörken, die Ahnherren der bedeutenden Gevelsberger Firma. Sie stellten Feuerzangen, Feuerschüppen, Bögknie, Klinken und Grendels her. Bald kam auch die Sägenindustrie aus dem Bergischen herüber und in den 80er Jahren die „weiße Sensen“-Industrie. Man unterschied die blaue, rein stählerne Sense (schon 1719 in Hagen hergestellt), die Plettenberger Sense (nur verstählt und mit dem Stein geschliffen) und die „weißse“ Sense (mit Stahleinlage an der Schneide und gegen den Stein geschliffen).

Auch die „Sack- und Dullhäuer“, d.h. Messer für die westindischen Kaffee- und Zuckerplantagen, wanderten in der gleichen Zeit aus Solingen nach der Enneper Straße. Die ebenfalls aus dem Bergischen stammende Breitewarenindustrie fand in unserm Heimatgebiet sogar eine solche Blüte, daß die bergische Industrie ihr gegenüber erlag.

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts kam auch die Amboßschmiederei in Aufnahme. Ihre Erzeugnisse sind schwere Hämmer, Ambosse, Sperrhörner und Pumpenstangen.

Die Bedeutung der Kleineisenindustrie für unsere Heimat geht daraus hervor, daß 1789 allein im Hogericht Schwelm über 200 Kleinschmiede ansässig waren, etwa 60 Jahre später war die Zahl auf 1100 gestiegen.

Das 19. Jahrhundert brachte einen weiteren Aufschwung. Als besonderer Zweig entwickelte sich de Blechschmiederei. Schlösser wurden in Haspe, Voerde, Volmarstein und Wengern, Grundschöttel und Berge bis Mitte des 19. Jahrhunderts in Heimarbeit hergestellt. Eilpe und Eppenhausen hatten schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts Schloßfabrikation, besonders aber kann Volmarstein behaupten, daß es kein Land der Erde gibt, in dem seine Schlösser nicht verwandt werden.

Mit dem neuen Jahrhundert begann dann auch die Konzentration der Herstellung. Die Ware wurde nicht mehr vom Hammerschmied zum Schleifer und dann zum Reider gebracht, sondern in derselben Fabrik (ganz) fertiggestellt. Das ist die letzte Stufe der Entwicklung unserer Eisenindustrie, die heute ein fast unübersehbares Bild darbietet. Rohmaterial wird nicht mehr hergestellt. Dafür starkes Aufblühen der Fabrikation von Schrauben (Schwelm, Milspe, Vörde, Hagen und Winz) und Nägeln (Schwelm und Gevelsberg). Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Maschinen hat die Herstellung von Sensen und Sicheln zurückgedrängt, dafür aber die Fabrikation jener Maschinen und ihrer Ersatzteile gefördert (Milspe, Voerde, Altenvoerde, Gevelsberg). Gevelsberg blieb auch die Stadt der Sackhauer, Plantagen- und Gartengeräte; von hier erhielten die verschiedensten Länder der Erde, u. a. West- und Nordafrika, Mexiko ihre eigenartigen Spaten, die Zuckerrohrplantagen Südamerikas und Westindiens ihre Zuckerrohrmesser und Kaffeestecher. Amboßschmiederei ist noch in Gevelsberg und Milspe zu Hause. Viele Hämmer haben sich auf Breitewaren, d.i. Pflugscharen, Schaufeln. und Spaten, umgestellt (Milspe, Gevelsberg, Herdecke). Für Gießlöffel und Pfannen haben seit den 80er Jahren die Walzwerke den Hämmern große Konkurrenz gemacht, das größte ist das Klöckner-Werk in Haspe. Möbel- und Baubeschlag erarbeiten Milspe, Schwelm, Voerde, Altenvörde, Gevelsberg und Hagen. Der Gründer der Firma A. Bilstein in Vörde führte: 1870 die Fabrikation von Fenstergetrieben aus Frankreich ein. Gesenkschmiedereien finden wir in Gevelsberg, Voerde und Hagen. Für Eisenbahnbedarf arbeitet die Firma Dörken A.G. in Gevelsberg, wo auch Herde und Öfen fabriziert werden. Schuhmachermaschinen liefert Schwelm, zwei große Werke in Hagen Feuerwehr- und Turngeräte, das Schwelmer Eisenwerk eiserne Fässer und Zeppelintanks; mehrere Werke in Schwelm machen Wasch-und Wringmaschinen; Fahrradteile stellen Gevelsberg, Milspe und Hagen her. Die Autoindustrie hat ihre Standorte in Hagen, Voerde und Altenvoerde. Kaffeemühlen werden in Schwelm, Scheren besonders in Voerde gemacht, dessen Schafscheren, bis nach 'Südamerika wanderten. Emaillierwerke sind in Schwelm und Gevelsberg, daselbst auch Fabrikation von Knöpfen, Stiefeleisen und Schuhnägeln.

Groß ist auch die Zahl der Gießereien (Hagen, Gevelsberg, Milspe, Schwelm, Wetter, Wengern). Die Schwerindustrie vertritt Wetter mit der Firma Demag und Harkort-Eicken. Der Norden des Kreises hat eine hervorragende Industrie. für Bergwerksartikel entwickelt (Winz, Hattingen, Sprockhövel und Milspe). Das bedeutendste Werk des EnnepeRuhr-Kreises, die Henrichshütte in Winz mit 8000 Beschäftigten, wurde 1853 von dem Besitzer des Hauses Bruch, Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode, gegründet, der — veranlaßt durch die zwischen Hattingen und Herbede festgestellten Eisenerznester und die benachbarte Kohle —. die bergmännischen Erfahrungen seiner Heimat am Harz auf seine Besitzung ‚an der Ruhr übertragen wollte. Hier war die blühende Tuchindustrie im Absterben, und die Hütte erwies sich als Retter in der Not. Sie stellte Roheisen, Eisenbahnschienen und Maschinenteile für den Bergbau her. 1904 \ erwarb die größte Lokomotivfirma des Kontinents, Henschel & Co., Kassel, das Werk. Fast das gesamte Stahlmaterial für Lokomotiv-, Schiffsund Maschinenbau wurde von der Henrichshütte geliefert. Ihr Kundenkreis er‚streckt sich über das Inund Ausland. Die Firma hat für ihre Arbeiter die schöne Gartenstadt Hüttenau gebaut. — Bedeutsam ist auch die Hanfund Drahtseilfabrik Puth in Blankenstein. Ihr Gründer war der kurhessische Seilergeselle Heinrich Puth, der bei dem Bergseilermeister Dünnebier in Blankenstein in Dienst trat, sich dann 1848 selbständig machte. 1859 schuf er im Auftrag der Bergisch-Märkischen Eisenbahn das Drahtseil, mit welchem die Züge von Erkrath nach Hochdahl hinaufgezogen wurden; das nur mit Menschenkraft hergestellte Seil war 1000 m lang und wog 150 Zentner. — In den lebten Jahrzehnten ist auch die Leichtmetallgießerei in Aufnahme gekommen: Das Hauptwerk liegt in Milspe, kleinere Betriebe in Altenvoerde und Gevelsberg.

Steinkohlenbergbau

Der dritte wirtschaftliche Pfeiler unsers Gebiets war die Steinkohle (siehe Geologie). Der Bergbau wurde, wo die Kohle anstand, von altersher neben der Landwirtschaft getrieben; urkundlich läßt er sich bis etwa 1547 verfolgen. Im Haßlinghauser Gebiet stand die Wiege des Ruhrbergbaus. Die Kohlen wurden im Tagebau oder durch Stollen gefördert. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts trieb man nur Raubbau für den Hausbrand und die Kalköfen, während die schon bedeutende Industrie immer noch mit Holzkohle arbeitete. 1735 zählte man im Amte Wetter 35 Bergwerke, im Amte Blankenstein 30, im Gericht Herbede 7. 1754 lagen aber im Amt Wetter von 43 Bergwerken 23 still, im Amt Blankenstein 24 von 44, im Gericht Herbede 8 von 18, im Haßlinghauser Gebiet 10 von 22. Im Gebiet Wetter, Herdecke, Boele, Boelerheide war der Bergbau ganz unbedeutend.

Die Kohlen der südlichen Zechen gingen in beschwerlichen Transporten in die Täler der Volme, Ennepe, Wupper und weiter ins Bergische. Die nördlichen Zechen litten unter ungünstigen Verkehrsverhältnissen. Der Plan von 1649, den Überschuß an Kohle, Kalk, Salz und Steinen auf der Ruhr nach Cleve zu verfrachten, wurde nicht durchgeführt.

Der Bergbau war ein Regal, so daß von der Förderung der Zehnte abgegeben werden mußte. Die Gründung eines Bergamtes und der Erlaß einer Bergordnung 1737 stellte die Zechen unter stärkere Kontrolle. Wenn diese staatliche Bevormundung auch Gefahren in sich barg, so fuhr der Bergbau doch gut dabei, weil die Vertreter des Staates weitschauende Männer waren wie Heinitz und vom Stein. An den Namen des ersteren knüpft sich auch die Entwicklung des Straßenwesens in der Grafschaft Mark zwischen 1788 und 1800 (siehe Verkehrswesen). Die zunächst im Staatsinteresse gebauten Straßen kamen dem einheimischen Gewerbe zugute, ebenso wie die 1780 vollendete Schiffbarmachung der Ruhr. Damit war für den Norden unsers Heimatgebiets der Weg in die Welt geöffnet. Nur noch die Haßlinghauser und Sprockhöveler Zechen blieben auf die „Kohltreiber“ angewiesen, um 1789 etwa 300, die mit Pferden die Kohlen ins Bergische brachten. Das war jedoch bei starken Niederschlägen und im Winter meist unmöglich. So wurden sie von den nördlichen Zechen überflügelt; wenn sie nicht zum Erliegen kamen, so verdankten sie das der geringeren Teufe. 1805 waren die Stock & Scherenbergschen Gruben die ergiebigsten der ganzen Grafschaft Mark. Das Haßlinghauser Gebiet erlebte erst nach der Napoleonischen Zeit einen wirtschaftlichen Aufschwung. Durch Zusammenlegung entstand 1871 das Bergwerk „Deutschland“, bis 1902 waren fast alle Haßlinghauser Zechen zu einem Ganzen vereinigt. Inzwischen waren die Haßlinghauser Zechen 1883 durch die Eisenbahn Barmen—Hattingen und 1889 durch die Strecke Silschede—Schee in Bahnnähe gebracht.

Ruine Hardenstein an der Ruhr

Die erste Gewerkschaft, die zum Tiefbau überging, war die bei Sprockhövel, aber im Amt Hattingen liegende Zeche „Alte Haase“. Auch die zweite Sprockhöveler Zeche „Barmen“ hatte sich seit 1904 gut entwickelt, mußte aber 1924 wegen Absatzmangels als Folge des ersten Weltkrieges stillgelegt werden, wie 1925 auch „Alte Haase“. Die Anlagen wurden auf Abbruch verkauft. Und da ereignete sich etwas, was in der Geschichte des Bergbaus einzig dasteht. Das Volk erhob sich gegen die rein wirtschaftlich bestimmten Maßnahmen des Kapitals. Ein Essener Unternehmer erschien, um die Abbrucharbeiten vorzubereiten. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch das Dorf, die Sturmglocke der Kirche wurde geläutet, und durch das wilde Schneegestöber eilten die Leute zur Zeche, um die gemeinsame Ernährerin vor der Zerstörung zu schützen. Die Leute bewahrten bewunderungswürdige Ruhe und mieden jede Feindseligkeit gegen die Abbruchkommission. Sie besetzten die Anlagen, ein Tag- und Nachtwachdienst wurde eingerichtet und die Unterhaltungsarbeiten sofort begonnen, freiwillig und ohne Bezahlung. So wurde „Alte Haase" gerettet, und der Bergmann behielt seine Arbeit. Die Zeche hatte vor dem letzten Krieg eine Belegschaft von etwa 1300 Mann und förderte täglich rund 1500 t. Sie hat moderne Aufbereitungsanlagen, eine Eierbrikettfabrik sowie eine Turbinenanlage, die monatlich über 1 Million Kilowatt erzeugt. Schon vor 1914 nahm der Bergbau im Norden unsers Gebiets an Bedeutung ab. In Notzeiten (wie nach 1918 und um 1940) suchte man die alten Förderstellen noch einmal auf, aber ohne Erfolg. So arbeiten nur noch „Barmen" und „Alte Haase“, „Elisabethenglück“ in Durchholz, „Cleverbank“, „Klosterbusch“ und „Gideon" in Herbede, „Aurora“ in Blankenstein, „Heinrich“ in Altendorf, „Neu-Wülfingburg“ in Albringhausen. Die bedeutendsten sind „Alte Haase“ und „Klosterbusch“.

Erzbergbau und -verhüttung

Im Jahre 1847 wurde nördlich und südlich der Ruhr bis nach Barmen hin Kohleneisenstein festgestellt, das in England bereits bekannte und zu Roheisen verarbeitete „Blackband“. Gleichzeitig hatte man bei Hattingen Spateisenstein gefunden. Diese Vorkommen bildeten die Grundlage für eine neue Hüttenindustrie. Die „Henrichshütte“ verarbeitete Blackband. 1855 kam auch die bei Haspe gelegene „Markanahütte“ wieder in Betrieb; sie bezog den Eisenstein aus dem benachbarten Schlebuscher Revier. Die A.G. „Neu-Schottland“ errichtete 1855-1857 in Haßlinghausen eine Hochofenanlage, da Kohle, Eisenstein und der notwendige Kalkstein hier in unmittelbarer Nachbarschaft lagen. Diese Hütte gehörte zu den bedeutendsten des ganzen rhein.-westf. Industriegebiets. Aber die an die Verhüttung des Kohleneisen­steins geknüpften Hoffnungen erfüllten sich nicht. Das Roheisen genügte nicht völlig; dazu kam Bahnferne und die Einführung des Bessemer-Verfahrens. Aus dem Flußeisen wurden besonders Eisenbahnschienen und anderes Eisenbahnmaterial hergestellt; für das Verfahren brauchte man phosphorarme Erze, das war der Kohleneisenstein nicht. Ausgang der 70er Jahre gelang es beim Bessemer-Verfahren den Phosphor aus dem Stahl zu entfernen, was auch wieder ein Aufblühen der Haflinghauser Erzgewinnung zur Folge hatte. Bis 1911 hat die Förderung gedauert, dann wurde der Abbau nicht mehr als lohnend angesehen. Nach dem Erliegen der Zechen spielte hier das Unternehmen der Glashütte eine große Rolle, sie stellte weißes Hohlglas her, aus den Abfällen produzierte die Isola in Haßlinghausen eine Packwolle.

Gevelsberg, Wasserburg Rocholz

Neben der Kohlen- und Eisenerzgewinnung tritt auch der Bergbau auf Alaun in unserm Gebiet an mehreren Stellen auf, so bei Wehringhausen seit 1840, die Förderung wurde aber Ende der 40er Jahre wegen Unrentabilität eingestellt. In Eppenhausen bildete sich 1833 eine Gesellschaft zur Gewinnung von Alaun aus den Alaunschiefern auf dem Grunde des Freiherrn von Hövel. Es sollten Alaun, Vitriol und Bittersalz gewonnen werden, aus den Rückständen wollte man noch Ziegelsteine backen; später wurde auch eine Düngerfabrik angeschlossen; da die Fabrikation aber einen unerträglichen Geruch verursachte, ging diese Anlage 1854 wieder ein. — Das dritte Werk dieser Art ist „Rote Berge“ beim Schwelmer Brunnen. Es war im Staatsbesitz und urkundlich 1576 bereits „in gutem Stande“. Täglich wurden etwa 10 Zentner Vitriol gewonnen, der nach Holland ging. Als aber der holländische Markt an die Engländer verloren ging, wurde das Werk, dessen Ergiebigkeit zudem nachließ, 1685 geschlossen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Roten Berge an die Harkortsche Bergwerksgesellschaft verkauft, die erneut gute Ausbeute erzielte. Man faßte auch die Errichtung eines Hochofens ins Auge und begann die Vitriolgewinnung noch einmal, doch erfolglos. Man gewann dann fast nur Schwefelkies für die Hasper Schwefelsäurefabrik. Wegen starker Wasserzuflüsse wurde die Förderung 1865 eingestellt. Seit 1871 wurde in der Zeche Schwelm auf den Roten Bergen erneut Eisenstein und Schwefelkies gewonnen (Höhepunkt 1880/81 mit 1.730.000 dz Eisenstein und 744.000 dz Schwefelkies). Von kurzfristigem Betrieb abgesehen ruhte die Zeche seitdem.

Industrie der Steine

Zu den bodenständigen Industrien gehören auch noch Steinbruchbetrieb und Kalkbrennerei. Kalksteinbrüche und -brennereien finden sich in der breiten Mitte unsers Gebietes. Im - Norden von Sprockhövel und Haßlinghausen bis zur Ruhr wird der auch für feinere Steinmetzarbeiten geeignete Sandstein gebrochen, wie man an den Grabsteinen aus dem 16. Jahrhundert auf den nördlichen Friedhöfen sieht. Mit dem Einsatz des Lastkraftwagens hat sich die Lage dieser Industrie gebessert. Hierher gehören auch die Ziegeleibetriebe in Vörde, Linderhausen, Gevelsberg, Haßlinghausen und Sprockhövel, sowie das Werk der „Ton- und Sandgruben-Gesellschaft"" bei Linderhausen, das aus tertiären Sanden Ziegel und feuerfeste Steine herstellt.

Elektroindustrie

Die Talsperren ermöglichten die Gewinnung von Elektrizität in größerem Maße. Die Agfu in Gevelsberg und Elektromark in Herdecke sind hier zu nennen. Überhaupt hat die Elektro-Industrie in unserm hochindustrialisierten Gebiet eine ganze Anzahl von Betrieben ins Leben gerufen. Das bedeutendste Werk ist die 1887 gegründete Hagener Akkumulatorenfabrik. 1888 wurden bereits Hagener Akkumulatoren für die Zugbeleuchtung auf der Mailand-Nordbahn gebraucht. Drei Zweigfabriken im übrigen Deutschland, weitere in Österreich, Ungarn, Rußland, England, Spanien, Italien, Schweiz und der Tschechei wurden gegründet, doch blieb das Hagener Werk das größte. Es wurde 1890 unter Mitwirkung der Berliner Firmen Siemens & Halske und der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft in eine A.G. verwandelt. Das Werk hat die Bleivergiftung so erfolgreich bekämpft, daß diese Berufskrankheit nunmehr als vollständig zurückgedrängt gelten kann.

Papierindustrie

Auch die Papierindustrie ist hier alt. In Hagen-Delstern errichtete Matthias Vorster bereits 1693 die erste Papiermühle; eine zweite wurde bald nachher in der Stennert angelegt. Absatzgebiet war vor allem Holland. Es wurde Maschinenpapier, Bütten-, Pack-, Tabak- und Stempelpapier fabriziert. Seit 1815 liefert das Werk dem preußischen Staat besonders Büttenpapier und sämtliches für das Papiergeld notwendige Rohpapier, 1852 stellte man eine Papiermaschine ohne Ende auf. So standen die Vorsterschen Papiermühlen lange Zeit mit an der Spitze im preußischen Staat. Die Papierfabrik Kabel wurde 1896 gegründet, sie produzierte vornehmlich Zeitungspapier; 1908 stand das Werk mit 30.000 t jährlich an der Spitze der deutschen Papierfabrikation. Die heute bedeutende Papierfabrik Friedrich Erfurt & Sohn in Dahlhausen, 1827 gegründet, erzeugt besonders Tapetenpapier.

Musikinstrumente-Bau

Die Vielseitigkeit unserer Industrie kommt auch in dem Bau von Musikinstrumenten zum Ausdruck. Die berühmte Pianoforte- und Flügelfabrik Rudolf Ibach stammt schon aus dem Jahre 1794; sie hat seit 1883 in Schwelm ihr Hauptwerk. Ähnlichen Ruf hat die Firma Roth & Junius in Hagen. Die Orgelbauanstalt Paul Faust in Schwelm, gegründet 1880, hat Werke in Westfalen, Rheinland, auch in Holland, England, Schweden und Polen stehen.

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