
Geschichte. Die Burg Linn, die
bedeutendste der niedeirheinischen Wasserburgen, einst ein
berüchtigtes Raubritternest, war im 12. Jh. der Sitz des
gleichnamigen Rittergeschlechts und stand unter der Lehenshoheit des
Grafen von Kleve. Die Burg wurde wie der
Zoll von Kaiserswerth bis ins 15. Jh. zwischen den
Erzbischöfen von Köln und den Grafen von Kleve hart umstritten. Sie
hatte nicht nur besondere strategische, sondern auch
handelspolitische Bedeutung, da der Markt von Linn neben Uerdingen
ein wichtiger Umschlagplatz für den Kohlenhandel am Niederrhein war.
Erzbischof Friedrich von Saarwerden (1370—1414), der Erbauer des
Schlosses Friedestrom zu Zons, hat die Feste errichtet, die
verhältnismäßig rein ihre ursprüngliche Anlage bewahrt hat, Sie ist
im' Verlauf der kriegerischen Ereignisse am Niederrhein oft belagert
und erobert worden, Die Befestigungen wurden immer wieder
hergestellt, Im Jahre 1579, vor dem Truchsessisehen Krieg, und nach
der Eroberung im Dreißigjährigen Krieg in der Schlacht auf der
St.-Tönnis-Heide im Jahre
1642 wurde die Anlage wesentlich verstärkt. Unmittelbar nach dem
letzten Ausbau der Befestigungen im Jahre 1688, als französische
Truppen in Zusammenhang mit dem Raubkrieg Ludwigs XIV. in Holland an
den Niederrhein vordrangen, wurde Linn von brandenburgischen Truppen
besetzt. Nachdem die Burg im Spanischen Erbfolgekrieg nach der
Belagerung von Kaiserswerth in Brand geschossen worden war, blieb
sie trotz verschiedener Wiederherstellungsversuche eine Ruine.






Anlage und Aufbau. Die Burg liegt im
ehemaligen Überschwemmungsgebiet des Rheins und ist aus einer
Fliehburg vor den Fluten und einem Verteidigungshügel vor Überfällen
entstanden. Die der Landwirtschaft dienende ausgedehnte Vorburg und
die Hochburg waren jede für sich in einen Befestigungsgürtel
eingeschlossen und durch rings umlaufende Gräben unzugänglich
gemacht, so daß Vorburg und Hochburg jede für sich auf einer Insel
lagen (Bild 3). Es sind vieleckige Anlagen um seinen inneren Hof.
Vorgeschobene Bastionen waren ebenfalls wieder durch Gräben, die
natürlichen Verteidigungsmittel der Ebene, gesichert. Von der
Vorburg ist die Ringmauer noch zum Teil bis zu6 m Höhe erhalten,
bewehrt durch einen Torturm, mit unterwölbten Rampentreppen und
einerim Spitzbogen eingewölbten Durchfahrt, sowie durch einen runden
Eckturm im Südosten (Bild 5). Heute beherrscht ein zweigeschossiges
Herrenhaus aus dem 18. Jh. mit hohem Walmdach den Hof (Bild 10). Der
Mittelbau der Fassade mil den großen Spitzbogenblenden erinnert
zusammen mit den Verstärkungen der Ecken an den Wehrbau vergangener
Jahrhunderte. Die Hochburg besteht aus einer an den Ecken mit
Rundtürmen bewehrten, sechseckigen Mauer (Bild 1 – 4), die
ringsherum unterstützt wird durch Bastionsterrassen. Der südliche
Turm ist zu einem wuchtigen Bergfried ausgebaut. An der Nordostseite
liegt das Tor. An das Tor schließt sich nach Westen der Palas und
nach Süden der Wohnbau an (Bild 3).

Im Gegensatz
zu Hülchrath, das aus Haustein und Backstein gebaut ist, ist Linn
ein Backsteinbau. Im 14.Jh. hat man sich am Niederrhein wohl in
Zusammenhang mit den ausgedehnten Festungsbauten der Städte wieder
auf die Bedeutung des Backsteins für den Wehrbau besonnen. In das
Ziegelmauerwerk sind stellenweise große Bruchsteine von Basalt
willkürlich eingefügt worden. Der äußere, aus dem 16. Jh. stammende
Teil des Torbaus und der mit einer Tonne eingewölbte, mit
Rundbogenblenden gegliederte Durchgang der älteren inneren Anlage
aus Backstein öffnen sich ; in mächtigen Bogen aus Trachyt.
Innerhalb der Mauerstärke führt auf der einen Seite eine Treppe ins
obere Geschoß des Torturms, auf der anderen ein Durchgang in das
Geschoß des Torwächters. Der Bogen nach dem Hof zu ist reich
profiliert. Die Kragsteine für die Gußlöcher, die Kreuze, Pfosten
und Sohlbänke der Fenster, die Bogen der Tore und Treppenstufen,
also die tragenden und gliedernden Gebilde der Architektur, sind in
Trachyt aus dem Siebengebirge ausgeführt. Der Palas (Bild 6), der
durch einen Treppenturm zugänglich ist und durch den Turm geschützt
wird, bestand offenbar über dem unterkellerten Erdgeschoß in zwei
Stockwerken aus durchgehenden Sälen, die einst von flackerndem
Kaminfeuer erwärmt wurden. Von den schweren Balkendecken, die den
Raum wesentlich bestimmten, sind noch die Kragsteine erhalten. Im
ersten Stockwerk verdient die Schloßkapelle Beachtung, die ohne
Trennungsmauer mit dem Saal in unmittelbarer Verbindung steht (Bild
9).

Auf ein Joch mit einem Kreuzrippengewölbe folgt eine Apsis aus
sechs Seiten eines Achtecks. Die gliedernden tektonischen Gebilde,
die Dienste mit ihren zierlichen Kelchkapitellen, die reich
profilierten Rippen an Schildbögen, Gurten und in der Wölbung zeugen
von einer besonders feinfühligen gotischen Formgesinnung. Der
ebenfalls durch einen Treppenturm zugängliche und von zwei Türmen
bewehrte zweistöckige Wohnflügel ist mit der von zahlreichen
Fenstern durchbrochenen Langseite nach Westen dem sonnigen Hof
zugekehrt (Bild 6). Im oberen Geschoß ist der Raum durch eine
Querwand mit einem Kamin geteilt. Die Turmräume waren in die
Gemächer einbezogen. So vermied man in beiden Fällen die stumpfen
Winkel und gewährte dem Sonnenlicht in größerem Umfang Eingang.

Die
Stadtbefestigung ist in engstem Zusammenhang mit der Burg ausgebaut
worden. Sie ist ähnlich aufgebaut wie in Neuß, Zons und Bonn. Auf
der Innenseite läuft auf der Mauer ein Wehrgang entlang über einer
Rundbogengliederung. Ecke Mauer- und Ritterstraße liegt der Issumer
Turm, ein Lehen der Burg Linn, das einem Burgmannen übertragen war
mit der Aufgabe, die Zugänge der Stadt und Burg zu überwachen (Bild
11 und 12). Der ehemalige Turm der Stadtbefestigung des 14. Jh., mit
dem das Wohnhaus des Ritters unmittelbar verbunden war, wurde in der
zweiten Hälfte des 18. Jh. mit einem Mansardendach: versehen. Aus
der gleichen Zeit stammen der eingeschossige Hofflügel und das Tor
mit dem geschweiften Giebel, der im Schlußstein der rundbogigen
Durchfahrt die Jahreszahl 1775 trägt.


Schrifttum:
-
Paul Clemen, Die
Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Städte und Kreise Gladbach und
Krefeld, Düsseldorf 1896, S. 133 ff. (Dort weitere Angaben.)
-
R. Klapheck, Die
Baukunst am Niederrhein, Bd. L, S. 49 ff., Berlin 1919.
-
Ders., Kunstreise
auf dem Rhein, Düsseldorf, Bd. II, S. 352 ff.
-
Zeitschr. d. Rhein.
Vereins f, Denkmalpflege und Heimatschutz 1927.
J. HEINRICH
SCHMIDT, Düsseldorf 1937. |