Geschichte.
Das Prämonstratenserstift Hamborn wurde im Jahre 1136 gegründet.
Stifter war der Edelherr Gerhard von Hochstaden-Wickrath, der die
auf seinem Eigengut Hamborn bestehende Kirche, die dem hl. Johannes
dem Täufer geweiht war, unter der Bedingung dem erzbischöflichen
Stuhl von Köln übergab, daß bei dieser Kirche ein
Prämonstratenserstift errichtet werde. Gegen Ende des 12. Jh. wurde
die Propstei in eine Abtei umgewandelt. Der Propstei bzw. Abtei
Hamborn unterstanden die Frauenstifte Füssenich und Ellen. Der
Propst bzw. der Abt von Hamborn war in seinem Sprengel exemt. Etwa
von Beginn des 13. Jh. an wurden nur Adelige aufgenommen. Diese
ständische Absonderung ist dem Stift nicht zum. Segen gewesen. Im
15. und zum Teil noch im 16. Jh. war es um das innere Leben der
Abtei wenig gut bestellt, so daß der Herzog von Kleve als Landesherr
mehrfach eingreifen mußte. Schweren Schaden erlitt sie im
Spanisch-Niederländischen
Krieg. Im Jahre 1587 wurden die Kirche und die Stiftsgebäude so
verwüstet, daß es nach einem Bericht des Steinfelder Abtes Balthasar
von Panhausen aus dem Jahre 1603 nicht möglich war, in Hamborn zu
wohnen. Erst nach der Mitte des 17. Jh. konnte die Kirche
wiederhergestellt werden. Im 18.Jh. erlebte dann die Abtei einen
wirtschaftlichen Aufstieg, so daß der letzte Abt, Karl Adalbert von
Beyer, bei der Aufhebung der Abtei im Jahre 1806 ein Reinvermögen
von über 379313 Talern clev. cour. nachweisen konnte.
Außenbau (Bild 1). Von der in der ältesten
Hamborner Urkunde erwähnten Kirche ist heute nichts mehr vorhanden.
Durch die Umwandlung der bisherigen Pfarrkirche in eine Stiftskirche
wird eine Erweiterung der Kirche nötig geworden sein. Da auch ein
Stiftsgebäude fehlte, entschloß man sich zu einem Neubau, an den
sich die erforderlichen Wohngebäude mit dem Kreuzgang anschlossen.
Dieser Neubau wurde im letzten Drittel des 12. Jh. vollendet. Die
Weihe der neuen romanischen Kirche vollzog der Kölner Erzbischof
Philipp von Heinsberg unter Assistenz des Erzbischofs Arnold von
Trier am 24. April 1170. Zu diesem Bau gehören noch der Kirchturm
mit Ausnahme des obersten Geschosses und der nördliche Flügel des
Kreuzganges (Bild 1—3). Die beiden unteren Geschosse des Turmes sind
nur wenig gegliedert. Das gotische Fenster.über dem einfachen
Türsturz ist erst später ausgebrochen worden. Beim dritten Geschoß
ist die Gliederung unter Verwendung von Vertikallisenen und einem
Rundbogenfries etwas reicher. Die romanischen Fenster sind bis auf
eines an der Westseite mit Ziegeln vermauert. Die noch offenen
Fenster an der Ostseite des Turmes werden durch das Kirchendach
verdeckt. Wenn man im Dachstuhl der Kirche steht, sieht man
unmittelbar unter den Fensteröffnungen auch den Ansatz des
Dachfirstes der alten romanischen Kirche. Das Baumaterial des Turmes
besteht aus unregelmäßigen Bruchsteinen. Die gotische Hallenkirche,
die sich an den romanischen Kirchturm anschließt, ist in drei
Bauabschnitten aufgeführt worden (Bild 1). Das Mittelschiff und
wahrscheinlich auch das nördliche Seitenschiff wurden um die Wende
des 15. zum 16. Jh. erbaut. Unter Abt Wilhelm von Wyenhorst
(1517—43) begann man mit dem Bau des südlichen Seitenschiffes.. Am
17. März 1526 kam zwischen der Abtei und der Pfarrgemeinde ein
Vergleich zustande, wonach der Abtei seitens der Pfarrgemeinde an
Stelle eines Baukostenzuschusses von 300 Goldgulden für den
Erweiterungsbau der Kirche das im Hammerholz liegende Diepenbruch
auf 43 Jahre zur Nutzung eingeräumt wurde. An der östlichen
Abschlußmauer des südlichen Seitenschiffes läßt eine Mauerfuge
deutlich erkennen, daß ein Strebepfeiler der ehemals zweischiffigen
Kirche in den neuen Kirchenteil einbezogen wurde. Das nördliche
Seitenschiff, das um ein Joch kürzer und um mehr als die Hälfte
schmaler ist als das südliche,
mußte nach den großen Verwüstungen im Spanisch-Niederländischen
Kriege neu aufgeführt werden. Mit Ausnahme dieses Seitenschiffes,
das in Backsteinen erbaut ist, wurde zum Bau der Kirche Tuffstein
verwandt. Das Langhaus wird gegliedert durch zweimal abgetreppte
Strebepfeiler, durch eine durchlaufende Horizontallisene in der Höhe
der Sohlbänke der mit einer Ausnahme zweiachsigen Fenster und durch
den vortretenden Sockel.
Innenraum. Das Langschiff der Kirche
besteht aus 4 Jochen (Bild 5). Die beiden Joche des Chores sind ein
wenig schmaler als die des Langhauses. Der Chorabschluß ist
dreiseitig. Die vier Pfeilerpaare sind quadratisch mit einfachen
Basen, an den Kanten abgeschrägt und eingekehlt. Im Langhaus wachsen
aus den abgeschrägten Vorlagen an den Pfeilern und Außenmauern
unvermittelt die Rippen der Kreuzgewölbe heraus. Im Chor nehmen
Halbsäulen mit einfachen Kapitellen die Gewölberippen auf. Im
Gewölbeschlußstein über dem Hochaltar befindet sich das Wappen des
Abtes Wilhelm Gottfried von Hyllen (1646—72), unter dessen Abbatiat
die Kirche in den sechziger Jahren des 17. Jh. durch Meister Moyses
aus Kettwig erneuert wurde. Die Orgelempore wurde erst im Jahre1875
eingebaut.
Ausstattung. Nach den verheerenden Bränden
und Verwüstungen im letzten Drittel des 16. Jh. ist es nicht
verwunderlich, daß die Abteikirche nur wenige Ausstattungsstücke aus
älterer Zeit besitzt. Das wertvollste Stück ist eine50 cm hohe
unbemalte Annaselbdrittgruppe (Bild 4) aus Eichenholz, die aus der
Mitte des 15. Jh. stammt. Im Jahre 1587 wurde diese Skulptur
verstümmelt. Der gotische Taufstein (Bild 6) aus dem Ende des 15.
Jh. gehörte ursprünglich nicht zur Ausstattung der Abteikirche. Er
wurde im Jahre 1834 von der evangel. Kirchengemeinde Hiesfeld
erwerben. Auf achtseitiger Basis und achtseitigem Schaft ruht das
kelchförmige Becken, das gleich dem Schaft mit spätgotischem Maßwerk
überzogen ist. Man beachte auch den Schild mit dem
klevisch-märkischen Wappen. Der wenig schöne Deckel stammt aus dem
19.Jh.. Nach der großen Erneuerung im letzten Drittel des 17. Jh.
erhielt die Kirche eine barocke Ausstattung, von der der Kreuzaltar
im nördlichen Seitenschiff, das Chorgestühl, zwei Beichtstühle,
mehrere Skulpturen und eine größere Anzahl von Gemälden noch
vorhanden sind. Während ein großer Teil der barocken Ausstattung der
Stilbereinigung in an Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts
zum Opfer fiel, wurde der barocke Hochaltar im Jahre 1905 durch
einen Brand zerstört. Unter den Ölgemälden befinden sich eine Kopie
Rubens’ Kindermord in Bethlehem und van Dycks Madonna mit dem
Jesuskind und dem kleinen Johannes des bekannten Mariengnadenbildes
in Maria Maggiore und des Christusbildes in St. Silvester in Rom. In
den Jahren 1930-32 ließ der Preußische Staat die Kirche, an der sich
Bodensenkungsschäden bemerkbar machten, in großzügiger Weise
erneuern. Durch die schlichte farbige Behandlung kommt die
Architektur der gotischen Hallenkirche jetzt viel stärker zur
Geltung. Der frühere Düsseldorfer Akademieprofessor Hubert Netzer
schuf den neuen Hochaltar mit der monumentalen Kreuzigungsgruppe
(Bild 5). Johannes Klais aus Bonn erbaute im Jahre 1934 das
vorzügliche Orgelwerk, das sich gut in den Kirchenraum einfügt.
Kreuzgang. Der nördliche Flügel gehört mit
dem Turm der im 1170 geweihten Kirche an. Eine durchgreifende
Erneuerung im Jahre 1913 rettete diesen Teil des Kreuzganges, der zu
den ältesten der Rheinprovinz zählt, vor dem drohenden Verfall (Bild
2, 3). In das Mauerwerk, das aus Tuffstein besteht, sind Doppelbögen
eingeschrieben, die seitlich auf Pfeilern mit profilierten
Deckplatten, in der Mitte auf gekuppelten Säulchen mit
rechtwinkeligem Kämpfer ruhen. In jeder Arkade befinden sich
Doppelfenster, deren Scheitbögen in der Mitte von Kragsteinen und
Säulen mit einfachen Kelchkapitellen gestützt werden. So ergibt sich
ein reicher Wechsel von Pfeilern, Einzelsäulen und gekuppelten
Säulen. Naeh Westen hin befand sich ein Kapellenanbau, von dem die
Fundamente und zwei Gewölbekonsolen noch sichtbar sind. Dieser
nördliche Flügel ist im Gegensatz zu den beiden anderen eingewölbt.
Die kreuzförmigen Gratgewölbe werden durch Korbbögen getrennt und
ruhen an der Außenmauer auf den profilierten Deckplatten der
Pfeiler, an der Innenmauer auf Konsolen (Bild 3). An der Ost- und
Westecke ist noch je eines der schönen spätromanischen Kapitelle
erhalten. Von der Innenausstattung erwähnen wir neben dem alten
Taufstein eine Reihe Ölgemälde, unter denen sich Darstellungen des
hl. Dominikus, des hl. Hyazinth, des hl, Norbert und Kopien der
Heilung des Gichtbrüchigen und der Beweinung Christi von Anton van
Dyck befinden. Im Binnenhof einige stark verwitterte
Barockskulpturen, darunter eine Madonna, Johannes der Täufer,
Norbert und Augustinus.
Sonstige Ausstattung. Hierzu zählen in
erster Liniedie Paramente, die zu den wertvolsten am Niederrhein
gehören. Es sind drei Kapellen vorhanden. Eine weiße Kapelle mit
Stäben aus dem Anfang des 16. Jh. Auf dem Kreuz der Kasel im oberen
Feld Gottvater, in der Mitte Christus am Kreuz. Drei schwebende
Engel fangen das Blut auf, das aus den Händen und der Seitenwunde
strömt. Unter dem Kreuz händeringend Maria Magdalena und die Mutter
Christi, die von Johannes
und einem anderen Heiligen gestützt wird. Auf dem Stab der
Vorderseite die Krönung Mariens. Leider sind die ausgezeichneten
Stickereien am Halsausschnitt und am unteren Rand verschnitten. Auf
den Stäben der Dalmatiken je drei Heilige untereinander. Die Wirkung
dieser vorzüglichen Stickereien wird allerdings durch den
minderwertigen Seidenstoff, auf den sie gelegt wurden, stark
beeinträchtigt. — Die rote Kapelle aus der Zeit um 1540 ist fast
unangetastet von Menschenhand (Bild 8). Auf rotem ungemustertem
Sammet liegen die Stäbe mit reichen Goldstickereien, die in einzelne
Felder mit frühen, Renaissanceornamenten aufgeteilt sind. Auf der
Kasel oben Gottvater, in der Mitte die Abendmahlsszene, darunter
Darstellungen aus der Leidensgeschichte. Auch hier der untere Rand
verschnitten. Auf den breiten Stäben des Chormantels Szenen aus dem
Leben Jesu. u. a. die büßende Magdalena, der Einzug in Jerusalem,
das Weinwunder in Kana und die Szene mit der Samariterin am Brunnen.
Auf der Kappa eine Darstellung der wunderbaren Brotvermehrung. Auf
den Stäben der Dalmatiken unter spätgotischen Kielbögen je drei
Heilige untereinander. — Die blaue Kapelle vom Ende des 16. Jh. ist
ebenfalls noch unangetastet, aber ziemlich arg mitgenommen von der
Zeit (Bild 7). Auf dem Kreuz und Stab der Kasel eine Darstellung des
Stammbaumes Jesse auf einem Grund von rotem Sammet. Aus den
Blütenkelchen des schönen Rankenwerkes wachsen die einzelnen
Halbfiguren heraus, oben endend mit Maria und dem Jesuskind. Auf den
Stäben der Dalmatiken auf goldbraunem Sammet je drei Halbfiguren von
Propheten und Sibyllen mit flandrischen Hauben. — Von den vier
Glocken stammt nur eine aus älterer Zeit. Sie wurde von dem
berühmten Lothringer Glockengießer Franz Hemony im Jahre 1638
gegossen. Außer einem reichen Renaissancefries trägt sie ein Kreuz
und ein Medaillon mit dem Bild der Mutter Gottes. Die Inschrift
lautet: WILH, GODEF. AB HYLLEN CANO. ET PAST. IN HAMBOREN GERHART
INGEN LACK UND JURGEM UFF DER LANDTSCHEIT K. M. 1638. — Wir erwähnen
weiter einen reichgeschmückten Meßkelch mit Rokokomotiven (Bild 9)
und die ovale Strahlenmonstranz aus dem Jahre 1710 (Bild 10). Auf
dem silbernen Rankenwerk figürliche Darstellungen von Gottvater, der
Madonna, des hl. Norbert und des hl. Johannes Evangelist. In der
alten Prälatur der an den Kirchturm anschließenden Stiftsgebäude mit
hohem Staffelgiebel (Bild 1) 6 Gemälde von Äbten aus dem 17. und
18.Jh. Darunter auch das Bild des letzten Abtes von Hamborn, Karl
Adalbert von Beyer, der im Jahre 1842 als Kölner Weihbischof
verschied.
Literatur:
-
Paul Clemen,
"Kunstdenkmäler der Stadt Duisburg und der Kreise Mülheim a. d.
Ruhr und Ruhrort'". Düsseldorf 1893.
-
Hermann Scheiermann,
‚Altes und Neues vom Niederrhein, im besonderen über die
ehemalige hochadelige Prämonstratenser-Abtei und Pfarrei
Hamborn". 1. Aufl. Duisburg 1897; 2. Aufl. Osnabrück 1925.
-
Otto R. Redlich,
„Die Visitation und Reformation des Klosters Hamborn im 15. und
16. Jahrhundert“, (Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins,
Bd. 50, Jahrg. 1917.)
-
Hamborn. Ein
Heimatbuch. Hrsg. von Dr. Leo Weiser. Hamborn 1925.
-
Johannes Ramackers,
„Adlige Prämonstratenserstifte in Westfalen und am Niederrhein“.
(Analecta Praemonstratensia, Bd. 5, 1929.)
-
Theodor Paas,
„Kampf der Prämonstratenser um ihre Exemtion in der Kölner
Erzdiözese". (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für
Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung, Bd. 48 [1928], Bd. 51
[1931] und Bd. 52 [1932].)
FRIEDRICH
JOHANNES SCHEIERMANN. Düsseldorf 1936. |