Das Schloß zu
Bedburg im Kreise Bergheim gehört zu den ältesten Dynastensitzen in
der fruchtbaren und an Wasserburgen so überreichen Erftniederung.
Schon 893 erscheint ‚‚Beteure‘ im Güterverzeichnis der Abtei Prüm.
1140 wird ein Ludolphus de Bethbure genannt. Im 13. Jahrhundert
scheint das Schloß von den Herren von Heinsberg lehnsrührig gewesen
zu sein. Aber schon am Ende des 13. Jahrhunderts befindet es sich im
Besitz der Herren von Reifferscheid, deren Stammburg in der Eifel im
Kreise Schleiden liegt. In den Kämpfen zwischen den Erzbischöfen von
Köln und den Grafen von Jülich im 13. Jahrhundert standen die
Reifferscheider auf seiten der letzteren. Infolgedessen kam es 1240
zur ersten Einnahme Bedburgs durch den Domgründer Konrad von
Hochstaden.Erzbischof Siegfried von Köln eroberte die Burg ein
zweites Mal; bei diesen Kämpfen soll das Schloß schwer mitgenommen
worden sein. Trotz der vorhergehenden Feindschaft belehnte jedoch
der Erzbischof 1291 Johann I. von Reifferscheid aufs neue mit der
Burg, die dann anschließend neu aufgebaut wurde und bis 1403
ununterbrochen bei der Familie Reifferscheid verblieb.
2. Schloß Bedburg an der Erft; Lageplan
der Burg mit der nächsten Umgebung
Der Kern
dieser historisch wie baugeschichtlich gleich wichtigen heutigen
Schloßanlage mit den beiden nach Nordwesten liegenden Rundtürmen
gehört wohl noch dem Neubau unter Johann I. im Anfang des 14.
Jahrhunderts an und ist damit eine der frühesten Backsteinburgen der
Rheinlande neben Lechenich (Bild 1 u.5).
Durch die
Heirat der einzigen Tochter des Grafen Johann IV. von Reifferscheid
aus erster Ehe, Mechtildis, mit dem Grafen Wilhelm von Hohenlimburg
im Jahre 1403, deren einzige Tochter Margareta wieder den Grafen
Gumbrecht I. von Neuenahr heiratete, kam Bedburg in den Besitz der
Grafen von Neuenahr, die es bis 1378 behielten. Inwieweit das Schloß
1416 bei der Eroberung und Niederbrennung des Ortes durch die
Stadtkölner gelitten hat, ist im einzelnen nicht festzustellen.
Jedenfalls haben die beiden Türme und die südöstlich anschließenden
Bauteile vom Anfang des 14. Jahrhunderts diese Stürme überdauert, so
daß wohl - wie meist - die Nachrichten über die Verwüstungen
übertrieben sind und vielleicht nur die Dächer und Holzteile durch
Brand Schaden genommen haben. Über 1½ Jahrhundert herrschte dann im
allgemeinen Ruhe, so daß sich eine Blütezeit für die Lande
entwickeln konnte, wie man u, a. auch an den überaus zahlreichen
Kirchenbauten des 15. und den vielen bedeutenden Schloßbauten des
16. Jahrhunderts in der Umgebung von Bedburg feststellen kann. Erst
im Truchsessischen Kriege erwuchsen dann neue Gefahren für die
Feste. Adolf von Neuenahr, der 1578 nach dem Tode des Grafen Hermann
die Herrschaft in Bedburg beanspruchte, hatte als eifriger
Parteigänger des zum Protestantismus neigenden Erzbischofs Gebhard
Truchseß von Waldburg das Schloß stark befestigt. Nach Gebhards zu
Weihnachten 1582 offen erklärtem Übertritt zur neuen Lehre und
seiner nachfolgenden Heirat mit der Gräfin Agnes von Mansfeld
entbrannte der religiös-politische Kampf zwischen den schon länger
darauf vorbereiteten feindlichen Lagern auf der ganzen Linie. Der
Führer der katholischen Partei, Herzog Ferdinand von Bayern, zog
nach der Eroberung der erzbischöflichen Residenz Bonn auch gegen
Bedburg, das am 7. März 1584 nach furchtbarer Belagerung, schwerer
Beschießung und teilweiser Zerstörung mit seiner ganzen Besatzung
unter Martin Schenck von Nideggen kapitulieren mußte. Die
Nachrichten, daß hierbei die Mauern an zwei Stellen auf größerer
Strecke und der Turm zerstört worden seien, kann sich dem heutigen
Bestande nach wohl nur auf die Südoslfront beziehen, auf der jetzt
die nach dieser Einnahme errichteten Renaissanceflügel stehen. Diese
Annahme wird auch durch die weitere Überlieferung bestätigt, daß der
von dem neuen Erzbischof aus dem Hause Wittelsbach, dem Kurfürsten
Ernst von Bayern, mit Bedburg im ‚Jahre 1588 belehnte Graf Werner
von Salm-Reifferscheid sofort mit dem Ausbau des Schlosses - also
auch mit der Beseitigung der Zerstörungen - begann. Die Belehnung
des Grafen Werner, die wohl vornehmlich wegen seiner der Partei des
Erzbischofs in den Kämpfen geleisteten treuen Dienste erfolgte,
wurde eigenartigerweise damit begründet, daß seine Voreltern seit
unvordenklichen Zeiten die Herrschaft Bedburg zu Lehen getragen
hätten. Hierbei wurde ganz übersehen, daß diese Belehnung der
Reifferscheider nur 112 Jahre (von 1291--1403), dagegen die der
Neuenahrer 175 ‚Jahre (von 1403-1578) bestanden hatte. Man nahm es
damals historisch noch nicht so übermäßig genau.
Gegen diese
Belehnung protestierte die Erbin aus dem Hause Neuenahr, die Gräfin
Walburgis. In ihrem Testament vom Jahre 1600 vermachte sie dem
Grafen Adolf von Bentheim-Tecklenburg die Herrschaft Bedburg.
Hieraus entstand der nie entschicdene, fast 200jährige berühmte
Prozeß Bentheim-Tecklenburg gegen Salm-Reifferscheid, der von 1600
bis 1791 währte, bis ihm die Französische Revolution ein klangloses
Ende bereitete. Die Grafen Salm-Reifferscheid blieben jedoch im
tatsächlichen Besitz von Bedburg bis 1798.
Im 30jährigen
Krieg hatte der Ort Bedburg nach der für die Kaiserlichen
unglücklichen Schlacht auf der St.-Tönisheide durch
hessisch-weimarische Truppen, die das Erzstift Köln und das
Herzogtum Jülich 5 Jahre lang überschwemmten und verheerten, schwer
zu leiden; das Schloß scheint damals ziemlich verschont geblieben zu
sein. Während des Raubkrieges Ludwigs XIV. gegen Holland wurde das
durch die Verbindung von Kurköln mit Frankreich verbündete Bedburg
von vereinten holländischen und spanischen Kriegsvölkern eingenommen
und mit dem Städtchen in Brand gesteckt. Doch scheinen auch diesmal
wieder im wesentlichen nur die Außenwerke und die Gebäude der
Vorburg verwüstet worden zu sein, da das Schloß in der Form der
Erneuerung aus dem Ende des 16. Jahrhunderts heute noch steht.
Im 18.
Jahrhundert hörten die Bedrohungen und Zerstörungen aul. In Bedburg
residierten zeitweise die Grafen Salm-Reifferscheid, bis 1795 die
Herrschaft mit dem ganzen linken Rheinufer französisch wurde. Nach
dem Frieden von Luneville wurde Bedburg 1801 französische Domäne,
diente von 1807 - 1814 französischen Veteranenfamilien als Wohnung,
stand von 1814 1820 leer und wurde 1820 - 1822 vorübergehend als
Lazarett für Augenkranke der Strafanstalt Brauweiler benutzt. Als es
dann 1839 öffentlich versteigert wurde, kaufte es die „Rheinische
Ritterschaft'" und eröffnete in Erfüllung einer ihr vom Staate
auferlegten Verpflichtung darin nach einer durch die lange
Verwahrlosung vorgenommenen "gründlichen Wiederherstellung" am 1.
Mai 1842 die "Rheinische Ritterakademie".
3. Schloß Bedburg. Ansicht von Westen
nach der Wiederherstellung. Vergl. Kunstdenkmäler des Kreises Bergheim, Taf. 1
Diese hat
darin bis 1922 - also genau 80 Jahre - bestanden und wird seitdem
als Gymnasium in dem um 1850 angefügten Nordwestflügel in
veränderter Form weitergeführt.
1922 ging das
Schloß mit dem dazugehörigen Gelände durch Kauf in das Eigentum der
Gewerkschaft - Union in Neurath über. Damals konnte noch niemand
voraussehen, daß das umfängliche, mehr als ein Jahrhundert lang
wenig liebevoll behandelte Gebäude schon in dem darauffolgenden
Jahre des Ruhrkampfes infolge der plötzlichen Besetzung der
Braunkohlengruben bei Neurath durch die Belgier der Werksleitung und
dem gesamten Gewerkschaftsbetriebe eine Zuflucht werden sollte.
Diese letzte indirekte Auswirkung des Weltkrieges wurde dem Schlosse
zu einem ungeahnten Segen. Infolge der zunächst eher aufgezwungenen
als freiwilligen Benutzungsnotwendigkeit und den damit zwangsläufig
sich ergebenden Instandsetzungsund Einrichtungsarbeiten reifte
allmählich der Ent schluß zu.der durchgreifenden, technisch wie
ästhetisch gleich hervorragenden Generalwiederherstellung der
Gebäudegruppe heran, die wir heute im großen und ganzen vollendet
vor uns sehen, und die wir ohne Übertreibung als eine
denkmalpflegerische Großtat bezeichnen können.
Doch ehe wir
auf diese Arbeiten näher eingehen, muß noch einmal auf die
Baugeschichte zurückgegriffen und die kunstgeschichtliche Bedeutung
der Anlage klargestellt werden. Wir sahen oben, daß trotz all der
Kriegswirren des 13., 15., 16. und 17. Jahrhunderts die beiden
nordwestlichen Rundtürme (A u. B) von dem Neubau Johanns I. von
Reifferscheid aus der Zeit nach der Jahrhundertwende von 1300
erhalten geblieben sind (Bild 5). Ihr innerer, achteckiger Grundriß
weist wieder auf zeitliche Beziehungen zu den sehr ähnlich
angelegten frühen Rundtürmen in Merode, Hoensbroeck u.a. hin.
Zwischen diesen beiden Türmen befindet sich noch - heute leider
beiderseitig durch wenig glückliche Anbauten aus der Zeit der
Ritterakademie im 19. Jahrhundert verbaut - eine große Schildmauer,
die vermutlich früher in ihrem untersten Teile den Eingang enthielt,
durch den man den Binnenhof betrat. Diese Auffassung wird auch
dadurch bestärkt, daß nach der ganzen noch heute im Lageplan
erkennbaren Situation (Bild 2) die Vorburg nördlich und westlich
vorgelagert war, von der aus man das Hauptschloß oder Herrenhaus
erreichte. Keinesfalls bestand jedoch der alte Hauptzugang von
Südsüdost, wo jetzt der große Weiher vor der Renaissancefront liegt,
die in der heutigen Form der Neuerstehung nach dem Truchsessischen
Kriege - also von 1590 - 1600 entstammt.
4. Schloß
Bedburg. Ansicht der Südostfront nach der Wiederherstellung
Auch von
Westen her, wo jetzt der Haupteingang liegt, kann der frühere Zugang
nicht erfolgt sein, wenn auch hier der grüßte Teil der späteren -
vielleicht früher der zweiten Wirtschaftsvorburg gelegen hat. Es
müßten sonst in dieser Front nach ganz andere Torreste erkennbar
geblieben sein. Der heutige Eingang mit der reizvollen
klassizistischen Portalachsenbetonung, der Trachytfreitreppe und dem
kleinen Balkon stammt aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie
die Formen der schmiedeeisernen Gitter und das von Löwen gehaltene
Alliancewappen des Gralen Sigismund von Salm-Reilferscheid-Bedburg
und der Gräfin Eleonora Maria Walpurgis, geb. Gräfin
Waldburg-Wurzach. beweisen (Bild 3 u. 8). Im übrigen spricht für den
alten Zugang zur Burg von Norden noch die Lage des so oft schwer
heimgesuchten Ortes Bedburg und nicht zuletzt. der Grund, daß man
gerade bei Wasserburgen die Zugänge gern aus nördlicher Richtung
anlegte, damit die ankommenden Freunde und Feinde im vollen
Sonnenlicht schneller erkannt werden konnten; während diese selbst
ins Licht sehen mußten. Aus dieser Grunddisposilion ergab sich dann
auch umgekehrt wiederum die erwünschte Möglichkeit, die zuletzt. zu
erreichenden, oft absichtlich abgelegenen Hauptwohnräume der
Herrenhäuser nach den Sonnenseiten zu legen (Bild 4 u. 6).
Anschließend
an die beiden obenerwähnten Rundtürme erstrecken sich parallel die
zwei älteren Gebäudeflügel, deren Mauern jedenfalls auch noch dem
mittelalterlichen Bau Johanns I. von Reifferscheid zugeschrieben
werden können. Dafür spricht nicht nur der Grundriß mit der
charakteristischen Einbindung der beiden - je zwei Außenfronten
flankierenden - Rundtürme, sondern vor allem die Mauertechnik und
die alte innere Einteilung, die bei den letzten großen
Wiederherstellungsarbeiten zutage traten.
Es ist bisher
stets angenommen worden, daß der südöstliche Trakt jüngeren Datums
sei bzw. z. Zt. des Neubaues aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts
zunächst gefehlt habe, obwohl gleichzeitig zwei, weitere
Eckrundtürme analog den kurkölnischen Landesburgen des 14.
Jahrhunderts Kempen, Zülpich, Brühl a. u. angenommen werden. Dem ist
jedoch entgegenzuhallen, daß es nicht nur dem Grundbestreben der
damaligen Zeit nach möglichst geschlossenen Anlagen widerspricht,
sondern auch sehr unwahrscheinlich ist, daß man gerade auf der
sonnigen Südostseite, die die angenehmste zum Bewohnen bildet einen
Wohnflügel verzichtet haben sollte. Es kann daher weit eher ange-
5. Schloß
Bedburg an der Erft. Grundriß des Erdgeschosses mit Kennzeichnung
der vermutlichen Bauperioden
nommen werden,
daß auch die schweren Umfassungswände dieses Bauteiles der
großzügigen und einheitlichen gotischen Anlage um 1340 entstammen,
und - als zweite Folgerung - daß die damals an den Ecken
unumgänglichen Flankiertürine, mindestens jedoch der südliche, im
Grundriß rechteckig angelegt waren; es müßte sonst zum wenigsten in
den Kellern noch irgendein Anhalt für die Rundtürme zu finden sein.
Übrigens weisen zahlreiche andere rheinische Burganlagen aus dieser
Zeit und den darauffolgenden Jahrzehnten ebensolche Rechtecktürme
auf (Merode, Hoensbroeck, Schacsberg, Lechenich, Frens und Harlf u.a.).
Die ganz kleine und ungenaue Ansicht Bedburgs bei Merian läßt nicht
erkennen, ob die vier dargestellten Türme rund oder eckig waren.
Endgültige Aufklärungen hierüber und über den romanischen Vorläufer
dieser Burganlage könnten sich wohl nur durch Grabungen ergeben.
Nach der Untersuchung der Keller kann gesagt werden, daß im
Südwestbau (unter der jetzigen Eingangshalle und anschließend nach
Süden) die Reste derin Tuff errichteten Grundmauern einer
romanischen Burganlage in die gotischen Kellermauern einbezogen
worden sind.
Grundrißausdehnung, Kellermauerwerk und Vorsprung des Südeckbaues
scheinen jedenfalls auf einen in ähnlichen Abmessungen vorhanden
gewesenen gotischen Wohnturmbau hinzuweisen wie in Lechenich. Die
für die Eroberung von 1584 überlieferte starke Zerstörung der Mauern
an zwei Stellen auf eienr großen Strecke und eines Turmes wird sich
nach dem heutigen Baubefund hauptsächlich auf die Teile der Südfront
beziehen, wobei der gänzlich zerstörte Turm der anscheinend gleich
große und ebenfalls viereckige Ostturm war, von dem im heutigen
Grundriß nur noch die Ansätze zu erkennen sind, dessen Stumpf damals
ganz abgetragen wurde (Abb. 5). Der in gleichen Abmessungen
gehaltene Südturm wurde um 1590 mit dem ganzen Südtirakt durch
Werner von Salm-Reifferscheid in den heute noch vorhandenen
Renaissanceformen umgebaut, unter der oben schon angedeuteten
Einbeziehung der alten Mauern. In diesem Eckbau mag der
ursprüngliche Hauptwohnturm von 1330 zu sehen sein, ähnlich wie in
Lechenich, zumal an ihm der zweite alte Brunnen liegt; der andere
Brunnen befindet sich an der Hofseite des Nordostflügels, der wohl
stets der Küchenbau war, Den Abschluß der letzten großen
Bautätigkeit um 1600 bildete der hochragende Osteckbau mit seinen
vier kühnen, nur 25 cm starken, im Dachstuhl verankerten, getreppt
und geschwungen ausklingenden Schmuckgiebeln. Die zeitliche
Aufeinanderfolge geht klar aus den Dachkonstruktionen und der
Verwendung der in dieser Südostfassade besonders reich verwendeten
Horizontalbänder aus Haustein hervor, die an diesem jüngsten Ostbau
oberhalb des Erdgeschosses in der Höhenlage vorspringen (Abb. 7)
Nachzuholen
wäre noch, daß die schmaleren, an die Rundtürme anstoßenden Ost- und
Westflügel noch prachtvolle eichene Dachstühle in spätgotischer Art
tragen, die etwas älter sind als derjenige über den großen Sälen in
dem südöstlichen Mittelbau; die Unterschiede sind an den
charakteristischen in den ersteren steileren und höheren
Andreaskreuzen der Längsverstrebung erkennbar. Diese beiden
Dachstühle scheinen noch vor der Zeit des Wiederaufbaues nach 1585
aufgebracht zu sein, obgleich sie viel konstruktive Verwandtschaft
mit dem großen jüngsten Dachstuhl des Südosteckflügels haben. Ihre
Betrachtung ist sehr lehrreich.
Die an die
Rundtürme anstoßenden Flügel waren früher im Innern einschiffig
ausgebildet, also mit den bekannten, schweren Unterzügen in den
einzelnen Stockwerken überdeckt, während der Südflügel, der
ursprünglich wohl den Palas bildete, bei seiner größeren Spannweite
von rd. 10 m eine Längsteilung mit Holzsäulen besaß, wie sie in
Konradsheim bei Lechenich noch anzutreffen ist. Den Beweis für diese
Annahme liefert die Kellereinwölbung, die unter den beiden schmalen
Trakten aus ungeteilten Längstonnen, unter dem breiten Flügel aber
aus Quertonnen über sehr kräftigen Gurtbögen mit wuchtigen
Mittelpfeilern in der Längsachse besteht. Über diesen Mittelpfeilern
standen die Säulen der Obergeschosse, Die Außenseiten des
Nordostflügels zeigen noch die ziemlich unveränderte gotische
Frontenausbildung.
Von den beiden
Hauben über den Rundtürmen ist die westliche mit Ausnahme der
inneren Fußkonstruktion barock, also neueren Datums, dagegen der
nördliche Helm im Kern noch gotisch mit einer später aufgesetzten -
jetzt leider ganz geschlossenen und vielleicht später wieder einmal
zur Erhöhung des malerischen Reizes zu öffnenden - Laterne aus dem
Anfang des 17. Jahrhunderts. Diese achtseitige Laterne hatte - wie
das innere Zimmerwerk verrät - früher vier Fenster, die mit
geschlossenen Feldern wechselten (Bild 6). Ob hier der Astrologe
Werners von Salm-Reifferscheid ähnliche Deutungen aus den Gestirnen
zu entziffern suchtce wie nur eine Gencration später im fernen Osten
Seni für Wallenstein?! Bei Tage wird dieser Auslug dem Türmer an
dieser den Zugang beherrschenden Stelle Dienste geleistet haben,
nachdem die mittelalterlichen - die ursprünglichen Spitzhelme außen
zu Dreiviertel umziehenden - Turmwehrumgänge aufgegeben und mit dem
jetzigen unteren Schleppdachteil überdeckt worden waren. Die
Turmmauerkronen geben im Innern über den ehemaligen Zustand der
Turmgalerien, die durch einen Wehrgang über der Schildmauer
verbunden waren, ausgezeichneten Aufschluß.
Besonders
charakteristisch für die Wiederherstellung von 1590 sind die beiden
neu eingeschobenen Renaissancetreppenhäuser mit geraden Läufen und
Mittelwänden, nachdem man sich durch die ganze Gotik fast
ausschließlich mit Wendeltreppen beholfen hatte (Bild 5), Auch die
steilen Walme auf dem Südeckbau, die so auffällig an den Eckbau von
Leerodt erinnern, gehören dieser Zeit an! (Bild 3,4,6).
Jedoch das
Hauptstück der ganzen Anlage und das kunstgeschichtlich bedeutsamste
Bauglied des Schlosses wird durch die prächtige zweigeschossige
Säulenarkade im Binnenhof gebildet, die bisher allgemein der
gleichen großen Erneuerung nach 1588 zugeschrieben wird. Ihre
klassisch schönen Proportionen, der scharf und feingliedrige Schnitt
der Profile und der so strenge - vielleicht sogar etwas
schulmäßige Aufbau des Systems legen die Vermutung nahe, daß diese
Arkade schon früher - etwa um 1560, also schon bei dem Ausbau durch
Graf Diermanrn v. Neuenahr entstanden sein könnte.
6. Schloß
Bedburg an der Erft. Ansicht von Osten mit dem großen Weiher nach
der Wiederherstellung
Ihr Aufbau
fällt mit der Errichtung der beiden geraden Treppenhäuser
bestimmt. zusammen, wie aus der absoluten Übereinstimmung der
Wandkonsolen aus Blaustein, die zierliche Rosetten zeigen,
hervorgeht. Der italienische Ursprung ist unleugbar. Man wird
unwillkürlich an die Höfe Norditaliens erinnert. Hier wie dort
kreisrunde Medaillons in den Bogenzwickeln; in Bedburg enthalten sie
- soweit noch vorhanden - römische Kaiserporträts (Bild 9 u. 10).
Eine gewisse Verwandtschaft mit der Erdgeschoßarkade in Schloß
Rheydt, der verbauten Arkade in Myllendonck, der nur aus Resten
bekannten in Schloß Hambach bei Jülich sowie der nur noch aus einem
Gemälde des Malers A. Reuter von 1795 bekannten, aber ebenfalls
inzwischen verschwundenen in Schloß Hülchrath liegt vor. Doch
übertrifft diejenige von Bedburg alle anderen an klassischer
Reinheit, ganz besonders auch die späteren, von den Niederlanden
beeinflußten Arkaden in den Schlössern Leerodt, Schaesherg und
Honsbroeck, die ebenfalls noch die toskanische Säulenordnung
aufweisen. Bedburg scheint älter als die meisten zu sein und dann
einigen als Vorbild gedient zu haben. Nur die beiden Arkaden in
Hambach (1531) und in Binsfeld (1533) sind nachweislich älter,
zeigen dafür aber auch noch stark gotisierende Detailbehandlung.
Es lag nahe,
diese Arkade mit Alessandro Pasqualini aus Bologna, dem
Hofarchitekten Herzog Wilhelms des Reichen von Jülich, dem Schöpfer
des dortigen großartigen Zitadellenschlosses, zusammenzubringen.
Aber die Bedburger Renaissanceformen sind nicht nur der schwülstigen
Bossensäulen-Renaissance von Jülich, die wir auch an dem von dort
beeinflußten Westflügel in Rheydt wieder vorfinden, absolut
wesensfremd, sondern vor allen Dingen starb Alessandro Pasqualini
schon 1559 nach längerer Krankheit auf einer Reise zum Ausbau der
Sparrenburg bei Bielefeld. Auch sein Sohn Maximilian Pasqualini, der
Amt und Aufgaben seines Vaters als 25jähriger übernahm, kann nicht
als Schöpfer der Bedburger Arkade angesehen werden, wenn diese
tatsächlich der Wiedererstehung nach 1588 angehört, weil er schon
1572, also 12 Jahre vor der großen Zerstörung von Bedburg, starb.
Außerdem ist nicht anzunehmen, daß er Aufträge in einem gegnerischen
Territorium angenommen hätte. Ihm folgte zunächst sein Bruder Johann
Pasqualini, weil die Söhne Maximilians, Johann (II.) und Alexander
(II.), noch ganz jung waren, als ihr Vater starb. Er war 1568 schon
für Kleve und Mark als Oberbauleiter bestellt worden. 1573 wird er
auch für Jülich, Berg und Ravensberg zum Baumeister ernannt. Er kann
als Urheber für die Bedburger Arkade in Frage kommen, wenn sie vor
1580 errichtet wurde. Sonst bleibt nur noch die Möglichkeit, daß
sein Neffe Johann (II.), der 1586 als Hofarchitekt bestellt wird,
der Schöpfer der Arkade ist, zumal wir von ihm wissen, daß er in
Italien zu Studienzwecken geweilt hat. Vielleicht hat er ein dort
maßstäblich aufgenommenes Vorbild oder eine Vorlage in Bedburg frei
kopiert und den dortigen beengten Raumverhältnissen eingepaßt. Sein
jüngerer Bruder Alessandro (II.), dessen Auftreten früher durch die
in den Nachrichten oft nur vorkommende Benennung Pasqualini zu dem
großen Irrtum eines fast 100jährig wirkenden Greises geführt hat,
ist architektonisch weniger hervorgetreten.
Es gibt auch
Stimmen, die die Arkade dem Bildhauer und Maler Joist de la Cour
(auch Josse de Lacourt) zuschreiben. Aber dieser war viel zuwenig
Archilekl, sondern fast ausschließlich Steinmetz, so daß er in
Bedburg einen Architekten hätte zur Seite gehabt haben müssen. Aber
zwei stärkere Gründe sprechen noch gegen seine Autorschaft als
Entwerfer der Arkade: Als Niederländer französischer Abstammung
hätte er aus sich wohl nie so streng klassisch italienisch schaffen
können - sind ja doch auch seine Bildwerke von ganz anders
freisprudelnder Art (vgl. die Arbeiten im Schloß Horst) - und
außerdem starb er schon zwischen 1578 und 1580, also ebenfalls 10
Jahre vor der großen Neubauzeit, in die man bisher die Arkade noch
ansetzte. Die viel umstrittene Frage der Entstehung der Bedburger
Arkade ist hier absichtlich etwas breiter behandelt worden, da
verschiedentlich unbegründete Theorien aufgestellt und verbreitet
worden sind. Vorläufig wissen wir also von dem Schöpfer dieses
bedeutungsvollen Werkes nichts Bestimmtes. Hoffentlich führt ein
glücklicher Archivfund oder eine zeitlich nähere Datierung einmal
eine endgültige Klärung herbei.
Es ist aber
noch eine eigene Beobachtung für das Entstehen der aus Italien
stammenden Renaissancearkaden in Deutschland von Wichtigkeit. Wie
der Querschnitt des Westflügels in Bedburg zeigt, ist der Dachstuhl
unsymmetrisch ausgebildet, und zwar offenbar mit Rücksicht auf eine
an der inneren Hofseite umlaufende, im Obergeschoß auf Stichbalken
ausgekragte und unter das hier geschleppte Hauptdach gezogene
Holzgalerie, wie wir sie noch in Konradsheim und an einigen
Wirtschaftsburgen in späteren Beispielen recht gut erhalten kennen.
(Bodenheim, Bürvenich, Heimerzheim, Firmenich, Horbell u. a.) Auch
Burg Binsfeld, die sehon 1533 also 2 Jahre nach der ersten Hambacher
Arkade - ihre wundervolle und die älteste, jetzt noch erhaltene
zweigeschossige Bogenhalle erhielt, zeigt im Querschnitt die
gleiche, ganz ungewöhnliche und anders gar nicht zu begründende,
unsymmetrische Dachkonstruktion, die auf eine hölzerne
Galerievorgängerin hindeutet. Diese Holzgalerien mußten früher an
Stelle von Korridoren den Verkehr in den Obergeschossen vermitteln
und die dicht aneinandergereihten Räume einzeln zugänglich halten,
weil man Flure und Gänge noch nicht kannte. Die gewagte und leicht.
angreifbare, ausgekragte Holzkonstruktion führte aber bei den
Belagerungen und Eroberungen mit den üblichen Brandschalzungen immer
zuerst zu
7. Schloß
Bedburg. Schrägansicht der Südostfront von Südwest gesehen (zu
beachten das Vorspringender Horizontalgesimse in der hinteren Ecke!)
Zerstörungen
dieser empfindlichsten Teile. Dann kam die Renaissance mit ihren
neuen Einflüssen. Man überlegte sich, wieviel zweckmäßiger und
haltbarer den Bränden gegenüber eine Ausführung in Stein sein würde.
So wurden die Holzgalerien durch die offenen Steinarkaden ‚‚im neuen
Baustile'" ersetzt oder auch dort ganz neu vorgebaut, wo man sich
bisher primitiv ohne Galeriegänge beholfen hatte. Der nächste
Schritt, der dann schon in Rheydt - wenn auch erst einige Jahre
später - getan wurde, ist der geschlossene Korridor im dortigen
Obergeschoß. Daß die Bedburger Arkade eine Holzgalerie ersetzt hat,
geht auch schon daraus hervor, daß man sich nicht gescheut hat, sie
in den vorhandenen ziemlich engen Hof hineinzuquetschen, wobei man
sie gegen die sonnigsten Hauptwohnflügel als Flure legte und den
kalten Nordtrakt unberührt ließ. Für eine an drei oder gar vier
Seiten umlaufende Arkade war der Hof vielzu eng. Ob die Niederlegung
des Nordostflügels zur Erweiterung des Hofes jemals in Erwägung
gezogen worden ist, läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit
feststellen, sondern nach der Ausdehnung des Osteckbaues nur
vermuten, Dann hätte aber auch der Nordturm fallen müssen.
Dieser
baugeschichtlich so bedeutsamen Architekturanlage hat das 19.
Jahrhundert übel mitgespielt. Da man bei der Einrichtung der
Ritterakademie geschlossene Flure wünschte und auch im 2.
Obergeschoß des Südwestflügels einen Korridor aufbauen wollte,
wurden - ganz ähnlich wie in Myllendonck - die Arkaden einfach
zugemauert, so daß die Säulen in den neuen Wandungen nahezu ganz
verschwanden. Dieser grausame Entschluß scheint dadurch noch
erleichtert worden zu sein, daß einige Säulen bedenkliche Risse
zeigten, so daß man ihnen keine rechte Tragfähigkeit mehr zutraute.
Jedenfalls mußten bei den jüngsten Freilegungen der Arkade etwa 10
geborstene Säulen durch neue ersetzt werden.
In den
ältesten Akten der Rheinischen Denkmalpflege befindet sich bei den
Verhandlungen über weitgehende Instandsetzungen an den
Schloßgebäuden ein Gutachten des ersten Provinzialkonservators der
Rheinprovinz, Prof. Dr. Clemen, worin dieser schon im September 1898
die Wiederherstellung des Arkadenhofes in Bedburg als des
kunstgeschichtlich wichtigsten Teiles des Schlosses als Hauptziel
bezeichnete. Es ist dann interessant, zu verfolgen, daß der damalige
Oberpräsident von Nasse in einem Schreiben an den derzeitigen
Hauptmann der Rheinischen Ritterschaft, den Generalobersten Frhr.
von Loë, die Ansicht des Konservators, die Arkaden freizulegen und
mit großen Fenstern zu schließen, nicht teilt, sondern erklärt, sie
müßten dann auch offen bleiben, was sich aber mit den Aufgaben der
Anstaltsbenutzung nicht vertrüge und die damaligen schwebenden
Wiederherstellungskosten um 20-25 000 Mark verteuere. Dadurch blieb
alles beim alten. 1908 wurden wieder größere Arbeiten am Binnenhof -
und u.a. sogar eine Glasüberdachung - in Erwägung gezogen, wie man
beispielsweise in Schloß Gudenau den innersten Hof überdeckt hat.
Dann wurde aber wieder von jeder Veränderung abgesehen, weil man die
mit der Freilegung unvermeidlich verknüpften technischen und
ästhetisch-denkmalpflegerischen Konsequenzen ebenso scheute wie die
Kosten. Vor dem Weltkriege geschah dann nichts mehr.
Der so überaus
weitsichtige Zugriff des Generaldirektors Metz im Jahre 1922 führte
nach den langen Vernachlässigungen zu den ersten
Instandsetzungsarbeiten und damit pflichtgemäß auch zum neuen
Eingreifen der Denkmalpflege bei Gelegenheit einer Ortsbesichtigung
im November dieses Jahres. Merkwürdigerweise war es wieder der
Binnenhof, der den Anstoß zu den Verhandlungen gab, da hier der
Verputz der Wände erneuert und heller ausgeführt werden sollte,
damit der bisherige düstere Eindruck behoben würde. Der kurz darauf
erfolgende passive Rhein- und Ruhrkampf brachte die Vertreibung der
Gewerkschaft aus Neurath und damit eine überstarke Belegung des
Schlosses mit Büros und Beamtenfamilien der Zeche. Wenn nun auch
dieser ziemlich gewaltsame Umschwung zunächst eine kurze
Unterbrechung der begonnenen Instandsetzungsarbeiten nach sich zog,
so reifte doch infolge wiederholter örtlicher Verhandlungen mit dem
Provinzialkonservator auch bei der bis dahin mit
denkmalpflegerischen Interessen und Problemen noch nicht in
Berührung geratenen
8.Schloß
Bedburg. Jetziger Haupteingang auf der Südwestfront.
neuen
Eigentümerin die Erkenntnis bald heran, daß, wenn man eine das
umfängliche Schloßgebäude ganz oder teilweise umfassende
Wiederherstellung in Angriff nehmen wollte, man nur systematisch,
gründlich und den erprobten Richtlinien der Denkmalpflege
entsprechend vorgehen dürfe. Es muß hier unumwunden anerkannt
werden, daß der neue Bauherr nach kurzem anfänglichem Zögern wegen
der für ihn neuartigen Forderung auf Berücksichtigung der
Denkmalpflegeinteressen sich mit seltenem Verständnis den
vorgetragenen technischen wie ästhetischen Gedankengängen für die
sich immer umfangreicher herausstellenden Arbeiten anschloß. Dadurch
war von vornherein eine gediegene Basis für ein harmonisches und
erfolgreiches Zusammenarbeiten von Bauherrn und Denkmalpflege
gewährleistet, was selbstverständlich nicht ausschloß, daß die
vielfachen Möglichkeiten für die Ausführungen in sehr zahlreichen
und eingehenden Besprechungen nach allen Richtungen hin erst
gründlich erörtert wurden.
Man begann
logischerweise nicht gleich mit der schwierigsten Aufgabe, der
Lösung des Arkadenhofes, sondern mit der Instandsetzung der
baulichen Substanz und vornehmlich der Außenhaut. Im September 1923
wurden zunächst zahlreiche Proben für die Ausfugung der großen
Backsteinfronten angesetzt und so lange Versuche angestellt, bis
nicht nur für die Flächenwirkung, sondern auch handwerklich das
Richtigste getroffen zu sein schien.
9. Innenhof
mit den freigelegten Renaissancearkaden nach der Neugestaltung.
Die Folge
dieses Entschlusses der Neuausfugung und Bereinigung der Fassaden,
die dann ja auch bis zu den Hauptgesimsen und Giebelbekrönungen
eingerüstet werden mußten, führte konsequenterweise zu dem sehr
einschneidenden Entschluß, die schauderhaften und gänzlich undichten
Notfenster aus der Zeit der Ritterakademie - es waren weit über 100
- herauszunehmen und durch solche früherer Form wieder zu ersetzen.
Einige ursprüngliche Fenster mit den originalen Steinkreuzteilungen
und den eisernen Kloben für die äußeren Schlagläden der unteren
Fensterteile waren noch verstreut als Muster vorhanden. Diese
Aufgabe allein, deren prächtigen Erfolg wir heute von allen Seiten
mit besonderem Genuß betrachten können, wuchs sich so im
Handumdrehen zu einer zuerst kaum geahnten Größe aus (Bild 3,4,7,8).
Für die Beschaffung des erforderlichen Hausteinmaterials konnten in
dieser Zeit der alles verschlingenden, schlimmsten Inflation im
Sommer und Herbst 1923 glücklicherweise noch einige Steinlager in
Köln aufgekauft werden. Die Arbeiten schritten verhältnismäßig
schnell voran. Im November 1923swurden schon die obersten, z. T.
früher schon abgestürzten Abdeckungen der hohen Schweifgiebel am
östlichen Renaissanceeckbau gesichert bzw. ergänzt. Für die
Steinkreuzfenster nebst ihrer Verglasung und den eisenbeschlagenen,
verdoppelten Läden wurden die Einzelheiten in dem Bestreben
entworfen, nicht nur Altes zu kopieren, sondern das Neue so
einzukomponieren, daß der ursprüngliche Gesamteindruck
wiederhergestellt wurde, aber im Detail die neuzeitliche Ergänzung
stets erkennbar blieb, damit so keinen anachronistischen
Trugschlüssen Vorschub geleistet würde. Auf die zeitliche
Verschiedenheit der Entstehung der einzelnen Bauteile mußte
selbstverständlich auch entsprechende Rücksicht genommen werden
(Bild 4 u. 6). Zu dieser Zeit - Winter 1923 bis 1924 - tauchten auch
schon die ersten Pläne für die ästhetische Sanierung der gesamten
Umgebung des Schlosses, der Wirtsghaftsgebäude, der Wassergräben und
des Parks, sowie für die gesamte innere Wiederherstellung auf;
letztere konnte bei der starken Belegung nur umschichtig ins Auge
gefaßt, werden.
Kaum hatte die
Markstabilisierung die Aussicht auf geordnetere finanzielle
Verhältnisse und dadurch wiederum auch für eine geregelte Planung
gebracht, als im Januar und Februar 1924 die Umgestaltung des
Arkadenhofes wieder in den Vordergrund der Diskussion trat. Der
Unteizeichnete, der seit 1922 in engster Fühlung mit dem Bauherrn
gearbeitet hatte, wurde gebeten, die Lösung dieses schwierigsten
aller vorliegenden Probleme sich ganz besonders angelegen sein zu
lassen, was dann auch in zahlreichen zeichnerischen Versuchsskizzen
geschah.
Inzwischen
hatten sich die architektonischen Aufgaben jedoch schon derart
ausgewachsen, daß man für die eigentliche Planung und Bauleitung -
namentlich bei der inneren Ausstattung - einen Architekten
heranziehen mußte, der in dem Kölner Willi Felten gefunden wurde.
Dieser neue Griff des Generaldirektors Kann als recht glücklich
bezeichnet werden. Felten, der sich anfänglich noch in der
Auffassung bewegte, in diesem alten Renaissancebau italienische
Renaissance kopieren zu müssen, fand sich doch auch ebenso schnell
in die denkmalpflegerische Forderung, daß solches Wiederholen
früherer Baustile nicht am Platze ist, sondern daß vorsichtig und
mit Takt modern fortentwickelt werden muß, da jede Zeit ihr Anrecht
zur Auswirkung hat und auch nur dann vollwertige Leistungen von
Dauerwert vollbracht werden können, wenn aus dem eigensten
Kunstgefühl der jeweiligen Epoche heraus geschafft wird. Felten
arbeitete zunächst noch mit dem Architekten Linner zusammen und
übernahm im großen und ganzen den völligen inneren Ausbau, wie wir
ihn heute vor uns sehen, selbstverständlich in steter, aber gänzlich
freier Fühlungnahme mit der Denkmalpflege. Im Februar 1924 waren die
im Obergeschoß des Südwestflügels gelegenen Direktionszimmer bereits
fertiggestellt. Bei der Herrichtung der Vertäfelung für das
anschließende gemütliche, achteckige Turmzimmer fanden sich große
Schäden im Mauerwerk infolge früher vermauerter Durchgänge und einer
ehemaligen, im Mauerkern ausgesparten Wendeltreppe, die im obersten
Turmgeschoß heute noch begehbar ist.
Da unterdessen
die schwierige Planung für die Wiederherstellung der Arkade weiter
herangereift war, wurden im Frühjahr 1924 die statischen Sicherungen
eingeleitet, die sich hier inzwischen als unumgänglich
herausgestellt hatten. Die Auswechselung der anscheinend durch
frühere Brände oder durch Überbelastung gesprungenen zehn Säulen aus
sogenanntem Aachener Blaustein ist schon erwähnt. Auch ein Teil der
den Gewölbeschub aufnehmenden eisernen Zugstangen wurde neu
verankert.
Die
Schwierigkeit des Problems des Arkadenhofes lag in folgenden, schwer
zu vereinigenden Aufgaben: Die Freilegung der Säulenstellungen in
beiden Geschossen war die selbstverständliche Grundforderung. Aber
für die dauernde zukünftige Benutzung mußten die Gänge verglast
werden. Wie sollte diese Verglasung an die runden Säulen
angeschlossen werden und bei der erheblichen Achsenbreite Halt
bekommen? Die Lösung wurde dadurch noch wesentlich erschwert, daß
die Säulen für die ihnen zugemutete Belastung an sich schon
reichlich schwach sind, und daß überdies die westliche Langseite den
im 19. Jahrhundert sehr massiv aufgebauten Korridor im 2.
Obergeschoß trägt, der aus Gründen des inneren Betriebes beibehalten
werden mußte, weil sonst die angeschlossenen Räume nahezu
unverwendbar wurden. Diese Überbelastung konnten namentlich die
Erdgeschoßsäulen
10. Schloß
Bedburg. Einzelheiten von der Säulenarkade im Binnenhof.
nicht
aufnehmen. Es mußte also eine mittragende Hilfskonstruktion gesucht
werden, die die Säulen entlastete, die aber aus künstlerischen
Gründen selbst wieder so leicht und untergeordnet erscheinen sollte,
daß die alte Renaissancearchitektur der Säulenarkaden das Hauptmotiv
blieb.
Es lag nahe,
diese Lösung in einer frei angewendeten und modern fortentwickelten
Kreuzgangmaßwerkaufteilung zu versuchen. Aber alle Entwürfe nach
dieser Richtung (es waren wohl 50 Varianten gezeichnet) konnten auf
die Dauer nicht befriedigen, bis der Unterzeichnete auf den Gedanken
kam, die Untergliederung in allereinfachster Weise so zu versuchen,
daß die oberen, statisch unsicheren Halbkreisbögen mit
leerbogenartigen Betonscheiben zugestellt werden sollten, die dann
wiederum auf je zwei eisenarmierten Stützen ruhen würden. Die
Aussparung von je drei kleineren Zwischenbögen ergab sich zur
Beibehaltung des Linienflusses, aus statischen Erwägungen und aus
Gründen einer möglichst leicht wirkenden Konstruktion von selbst. Da
die Arkatur auf diese Weise nach keiner Seite hin mehr ausweichen
konnte, selbst wenn an irgendeiner Stelle einmal schräge
Druckbeanspruchungen auftauchen sollten, war die denkbar beste
statische Sicherung gegeben. Die ganze übrigbleibende Belastung war
eine vertikale, die zur Entlastung der Kalksteinsäulen auf die neuen
Zwischenstützen mitverteilt wurde.
Nun galt es
noch die künstlerische Form finden, die diese aus der Not geborene
Hilfskonstruktion dem gegebenen, hochwertigen Rahmen würdig
eingliederte. Auch hierbei mußte wiederum die Säulenbogenstellung
das Hauptmoment bleiben. Der Verfasser entschied sich nach den
verschiedensten Erwägungen zum Vorschlage der Verkleidung dieser
Hilfskonstruktion mit Keramik, weil hierdurch nicht nur reichhaltige
künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten gegeben waren, sondern dieses
Material auch stets mit der Verglasung eine der Arkatur gegenüber
untergeordnet erscheinende Funktion übernahm. Die Gewähr einer
unbegrenzten Haltbarkeit kam - sich selbst empfehlend - hinzu.
Für diese
Durchbildung der freigelegten Arkade, die technisch sehr einfach
Feld für Feld nacheinander vorgenommen werden konnte, wurde zunächst
ein Entwurf der ehemals Großherzoglichen Majolika-Manufaktur in
Karlsruhe als der damals leistungsfähigsten und bekanntesten
keramischen Kunstwerkstatt erbeten, der dann auf einem großen Termin
am 17. April 1924 von dem damaligen -Leiter des Werkes, Dr. Dr.
Moufang, vorgetragen und im Beisein aller für die gesamten Arbeiten
zuständigen Stellen (Provinzialkonservator, Regierung, Architekten
und Bauherr) erörtert wurde. Bei dieser Gelegenheit wurden auch alle
übrigen bisherigen Arbeiten kritisch betrachtet, lobend anerkannt
und die Vorschläge für weitere Ausführungen begutachtet. Das
Ergebnis wurde als empfehlende Richtlinien schriftlich niedergelegt.
Inzwischen
hatten sich aber auch die Architekten Linner und Felten ebenfalls
mit dem Arkadenfreilegungssystem beschäftigt und ihrerseits einen
Ideenvorschlag mit einer in Kunststein auszuführenden
Betonpfosteneinteilung ausgearbeitet, der am gleichen Tage mit zur
Diskussion stand, der aber als technisch und künstlerisch
unbefriedigende, allzu starre Lösung abgelehnt wurde.
Der
wundervolle, ja faszinierende Entwurf der Karlsruher Werkstätten,
der sich auf Vorschlag des Unterzeichneten in seiner Ornamentik an
die naheliegende Verwendung von Motiven aus der Fauna und Flora der
Braunkohlenzeit anschloß, sollte jedoch ohne Transport und Einbau
150.000 Mark kosten, wobei vorgesehen war, jedes Feld besonders zu
modellieren. Einen solchen Betrag nur der Kunst zuliebe
aufzubringen, war der Gewerkschaft unmöglich. Infolgedessen traten
die Architekten Linner und Felten mit immer neuen, zum Teil in
Modellen plastisch ausgearbeiteten Entwürfen für
kunststeinverkleidete Betoneinbauten auf den Plan, die jedoch immer
noch nicht die logische Einfachheit des Vorschlages der
Denkmalpflege erreichten. Für den letzteren wurde inzwischen auch
eine Ausführung in Kunststein in Erwägung gezogen, aber von der
Denkmalpflege mit dem Hinweis auf den gänzlichen Mangel an
Erfahrungen über die Lebensdauer dieses Materials abgelehnt.
Karlsruhe entschloß sich unter der Voraussetzung der Vereinfachung
der gesamten Reliefplastik und der mehrfachen Wiederholung der
Vorwürfe in den einzelnen Feldern zu der äußersten Reduzierung auf
90.000 Mark und später noch einmal unter weiterer Vereinfachung auf
75.000 Mark einschließlich Transport und Einbau. Aber auch diese
Summen blieben noch unerschwinglich, was bei der künstlerischen
Qualität des Entwurfs allseils lebhaft. bedauert wurde. Die
Verhandlungen wogten kampfarlig noch ein halbes Jahr bis zum Herbst
1924 hin und her. In August fand eine Besichtigung der Arbeiten
durch den Herrn Staatskonservator der Kunstdenkmäler in Preußen,
Ministerialrat Hiecke, im Beisein des Provinzialkonservators Prof.
Dr. Renard stattt.
Inzwischen war
durch die Ausschmückung der neuen Messegebäude in Köln bekannt
geworden, daß man in Frechen bei Köln in der von Direktor Oums
geleiteten Steinzeugröhrenfabrik (Fa. Kalscheuer & Co.) auch mit
Erfolg dazu übergegangen war, keramische Großplastik herzustellen,
zu der Kölner Künstler die Entwürfe lieferten. Die Verhandlungen
führten schließlich im November 1921 zu einem auch finanziell
tragbaren Ergebnis. Für die Ausführung wurde endgültig der
grundlegende Vorschlag des Unterzeichnelen bestimmt und für die
Herstellung der in natürlicher Größe anzulegenden Tonmodelle der
Kölner Bildhauer Franz Albermann gewonnen. Da mit dem Schwinden des
Tones beim Brand und der Tatsache, daß jedes Bogenfeld in Bedburg
kleine Abweichungen in den Abmessungen aufweist, gerechnet werden
mußte, ergaben sich für die Modelle immerhin erhebliche Vorarbeiten.
Auch wurden alle Entwürfe vor dem Brande mit dem Urheber von dem
Vertreter der Denkmalpflege, dem Architekten und dem Bauherrn
kunstkritisch abgenommen (Bild 9). Die Ausführung dieser für die
Schloßwiederherstellung bedeutungsvollsten Aufgabe zog sich jedoch
noch fast volle zwei Jahre bis zum Herbst 1926 hin, weil der Brand
der großen Stücke geraume Zeit in Anspruch nahm. Leider geben die
Abbildungen von der tatsächlichen prunkvollen und doch auch wiederum
überaus harmonischen Wirkung nur einen schwachen Begriff. Nebenbei
muß noch bemerkt werden, daß die kleinen Mittelsockel im Erdgeschoß
aus mehrfachen Gründen eingefügt werden mußten, und zwar zur
Fundierung und Verankerung der Fußverbindung der neuen
Mittelstützen, zur Verminderung ihrer Knickfähigkeit durch
Verkürzung ihrer Länge und zur Ermöglichung der Aufstellung der
Heizkörper im Innern. Die Farbe der Salzglasur der Kacheln spielt
von Fahlgelb über Braun bis ins tiefe Braunviolett, während die
alten Säulen und Gliederungen schiefergraublau sind und von hellem
Kalkputz gefaßt werden (Bild 9). Durch einen Steinplattenboden an
Stelle des jetzigen Rasens dürfte der Arkadenhof an
architektonischer Kraft und Wirkung noch gewinnen, wobei das etwa
fehlende Grün durch die schon weitgehende Berankung der Nordostwand
genügend ersetzt wird.
Während dieser
beiden Jahre 1924 bis 1926 wurde ebenso intensiv an den Außenfronten
und der neuen inneren Fassung gearbeitet. Das sich von selbst
gegenüber der ersten Zeit einstellende langsamere Arbeitstempo kam
der erwünschten Durchreifung der Entwürfe und der handwerklichen
Ausführung sehr zugute. Galt es doch nicht nur, dem neuen
Verwendungszweck und dem sich allmählich einspielenden Gebrauch des
Gebäudes Rechnung zu tragen, sondern auch manche Härten der äußeren
und inneren Erscheinung einer befriedigenden Lösung
entgegenzuführen.. Hier erwies sich Willi Felten als ein äußerst
geschickter und anpassungsfähiger Architekt von nie versagender
Phantasie im Detail. Er entwarf neben der ganzen Neugestaltung der
Innenräume mit Stuckdecken, Türen und Wandvertäfelungen, Kaminen,
Möbeln usw. die Vergitterungen, neue Portale, den veränderten
Treppenanlauf im Ostflügel und die der Eingangsachse verwandte,
recht wirkungsvolle neue Mittelbetonung der breiten Südostfassade
(Bild 4). Die hier angebrachten, gutsitzenden Plastiken :modellierte
der junge Kölner Bildhauer Berlin. Ganz besonders aber sind Feltens
feinempfundene Entwürfe für die von Wyland dem Schmied in Köln
handwerklich meisterhaft gefertigten eisernen Vergitterungen zu
nennen. Ebenso darf sein köstliches neues Torwachthaus nicht
unerwähnt bleiben, das ein schlichtes und an sich nicht reizloses,
aber längst nicht so hochwertiges Barockhäuschen ersetzt hat, das im
übrigen recht baufällig war. Auch an der Gestaltung der
Schloßumgebung hat er mitgewirkt.
Zur Zeit steht
nur noch die endgültige Ausgestaltung der beiden großen Säle im
Südostmittelbau aus, die bisher aus verschiedenen Gründen
zurückgestellt werden mußte; hoffentlich erhalten sie später ihre
ehemaligen Mittelsäulen wieder, weil die Raumgliederung und die
statischen Verhältnisse der stark durchgebogenen Decken dies
dringend fordern. Als Wunsch darf wohl ferner noch ausgesprochen
werden, daß auch die beiden zum Gesamtkomplex gehörenden, recht
störenden Verblendsteinvillen an der Straße einmal eine solche
Umformung erfahren möchten, daß sie einen ähnlich würdigen Auftakt
bilden wie das neue Pförtnertorhaus. Vorschläge liegen schon bereit.
Es ist gar
nicht möglich, all der vielen Kleinarbeit dieser
Monumentalwiederherstellung zu gedenken, die noch neben den
geschilderten Arbeiten geleistet worden ist. Wenn beispielsweise
noch erwähnt werden darf, daß die Eingangstreppe ganz abgebaut und
neu versetzt wurde, weil zahlreiche Trachythausteine zermürbt waren
und das Gitter durch Rost stark zerfressen war, so daß es neu
geschmiedet werden mußte, so ist das nur ein kleiner Beweis für die
Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit, die bei dem ganzen Vorgehen
geübt wurde, und die von dem hohen Verantwortungsbewußtsein gegen
über Mit- und Nachwelt zeugt, von dem Bauherr und Bauleitung bei all
ihren Entschlüssen getragen wurden. Für diese innere Einstellung des
Bauherrn, die mit einer in der Geschichte der Rheinischen
Denkmalpflege ganz ungewöhnlichen Opferfreudigkeit und einem sich
stets schnell einfühlenden künstlerischen Spürsinn gepaart war, kann
man nicht dankbar genug sein, zumal doch auch immer wieder bedacht
werden muß, daß diese große Aufgabe gleich nach dem verlorenen
Weltkriege in wirtschaftlich schwierigster Zeit geleistet worden
ist. Das erhebt und spornt zugleich zu neuen Taten im Dienste
unserer rheinischen Heimat an, die an herrlichen, aber auch vielfach
äußerst bedrohten Baudenkmälern so überreich ist, daß man nur mit
dem Wunsche schließen kann: „Vivant sequentes!"
TH. WILDEMAN,
Bonn 1937 |