Schloss Bedburg an der Erft und seine Wiederherstellung

Rheinische Kunststätten - Reihe XI: Die Erft - Nr. 1/2

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Das Schloß zu Bedburg im Kreise Bergheim gehört zu den ältesten Dynastensitzen in der fruchtbaren und an Wasserburgen so überreichen Erftniederung. Schon 893 erscheint ‚‚Beteure‘ im Güterverzeichnis der Abtei Prüm. 1140 wird ein Ludolphus de Bethbure genannt. Im 13. Jahrhundert scheint das Schloß von den Herren von Heinsberg lehnsrührig gewesen zu sein. Aber schon am Ende des 13. Jahrhunderts befindet es sich im Besitz der Herren von Reifferscheid, deren Stammburg in der Eifel im Kreise Schleiden liegt. In den Kämpfen zwischen den Erzbischöfen von Köln und den Grafen von Jülich im 13. Jahrhundert standen die Reifferscheider auf seiten der letzteren. Infolgedessen kam es 1240 zur ersten Einnahme Bedburgs durch den Domgründer Konrad von Hochstaden.Erzbischof Siegfried von Köln eroberte die Burg ein zweites Mal; bei diesen Kämpfen soll das Schloß schwer mitgenommen worden sein. Trotz der vorhergehenden Feindschaft belehnte jedoch der Erzbischof 1291 Johann I. von Reifferscheid aufs neue mit der Burg, die dann anschließend neu aufgebaut wurde und bis 1403 ununterbrochen bei der Familie Reifferscheid verblieb.

2. Schloß Bedburg an der Erft; Lageplan der Burg mit der nächsten Umgebung

Der Kern dieser historisch wie baugeschichtlich gleich wichtigen heutigen Schloßanlage mit den beiden nach Nordwesten liegenden Rundtürmen gehört wohl noch dem Neubau unter Johann I. im Anfang des 14. Jahrhunderts an und ist damit eine der frühesten Backsteinburgen der Rheinlande neben Lechenich (Bild 1 u.5).

Durch die Heirat der einzigen Tochter des Grafen Johann IV. von Reifferscheid aus erster Ehe, Mechtildis, mit dem Grafen Wilhelm von Hohenlimburg im Jahre 1403, deren einzige Tochter Margareta wieder den Grafen Gumbrecht I. von Neuenahr heiratete, kam Bedburg in den Besitz der Grafen von Neuenahr, die es bis 1378 behielten. Inwieweit das Schloß 1416 bei der Eroberung und Niederbrennung des Ortes durch die Stadtkölner gelitten hat, ist im einzelnen nicht festzustellen. Jedenfalls haben die beiden Türme und die südöstlich anschließenden Bauteile vom Anfang des 14. Jahrhunderts diese Stürme überdauert, so daß wohl - wie meist - die Nachrichten über die Verwüstungen übertrieben sind und vielleicht nur die Dächer und Holzteile durch Brand Schaden genommen haben. Über 1½ Jahrhundert herrschte dann im allgemeinen Ruhe, so daß sich eine Blütezeit für die Lande entwickeln konnte, wie man u, a. auch an den überaus zahlreichen Kirchenbauten des 15. und den vielen bedeutenden Schloßbauten des 16. Jahrhunderts in der Umgebung von Bedburg feststellen kann. Erst im Truchsessischen Kriege erwuchsen dann neue Gefahren für die Feste. Adolf von Neuenahr, der 1578 nach dem Tode des Grafen Hermann die Herrschaft in Bedburg beanspruchte, hatte als eifriger Parteigänger des zum Protestantismus neigenden Erzbischofs Gebhard Truchseß von Waldburg das Schloß stark befestigt. Nach Gebhards zu Weihnachten 1582 offen erklärtem Übertritt zur neuen Lehre und seiner nachfolgenden Heirat mit der Gräfin Agnes von Mansfeld entbrannte der religiös-politische Kampf zwischen den schon länger darauf vorbereiteten feindlichen Lagern auf der ganzen Linie. Der Führer der katholischen Partei, Herzog Ferdinand von Bayern, zog nach der Eroberung der erzbischöflichen Residenz Bonn auch gegen Bedburg, das am 7. März 1584 nach furchtbarer Belagerung, schwerer Beschießung und teilweiser Zerstörung mit seiner ganzen Besatzung unter Martin Schenck von Nideggen kapitulieren mußte. Die Nachrichten, daß hierbei die Mauern an zwei Stellen auf größerer Strecke und der Turm zerstört worden seien, kann sich dem heutigen Bestande nach wohl nur auf die Südoslfront beziehen, auf der jetzt die nach dieser Einnahme errichteten Renaissanceflügel stehen. Diese Annahme wird auch durch die weitere Überlieferung bestätigt, daß der von dem neuen Erzbischof aus dem Hause Wittelsbach, dem Kurfürsten Ernst von Bayern, mit Bedburg im ‚Jahre 1588 belehnte Graf Werner von Salm-Reifferscheid sofort mit dem Ausbau des Schlosses - also auch mit der Beseitigung der Zerstörungen - begann. Die Belehnung des Grafen Werner, die wohl vornehmlich wegen seiner der Partei des Erzbischofs in den Kämpfen geleisteten treuen Dienste erfolgte, wurde eigenartigerweise damit begründet, daß seine Voreltern seit unvordenklichen Zeiten die Herrschaft Bedburg zu Lehen getragen hätten. Hierbei wurde ganz übersehen, daß diese Belehnung der Reifferscheider nur 112 Jahre (von 1291--1403), dagegen die der Neuenahrer 175 ‚Jahre (von 1403-1578) bestanden hatte. Man nahm es damals historisch noch nicht so übermäßig genau.

Gegen diese Belehnung protestierte die Erbin aus dem Hause Neuenahr, die Gräfin Walburgis. In ihrem Testament vom Jahre 1600 vermachte sie dem Grafen Adolf von Bentheim-Tecklenburg die Herrschaft Bedburg. Hieraus entstand der nie entschicdene, fast 200jährige berühmte Prozeß Bentheim-Tecklenburg gegen Salm-Reifferscheid, der von 1600 bis 1791 währte, bis ihm die Französische Revolution ein klangloses Ende bereitete. Die Grafen Salm-Reifferscheid blieben jedoch im tatsächlichen Besitz von Bedburg bis 1798.

Im 30jährigen Krieg hatte der Ort Bedburg nach der für die Kaiserlichen unglücklichen Schlacht auf der St.-Tönisheide durch hessisch-weimarische Truppen, die das Erzstift Köln und das Herzogtum Jülich 5 Jahre lang überschwemmten und verheerten, schwer zu leiden; das Schloß scheint damals ziemlich verschont geblieben zu sein. Während des Raubkrieges Ludwigs XIV. gegen Holland wurde das durch die Verbindung von Kurköln mit Frankreich verbündete Bedburg von vereinten holländischen und spanischen Kriegsvölkern eingenommen und mit dem Städtchen in Brand gesteckt. Doch scheinen auch diesmal wieder im wesentlichen nur die Außenwerke und die Gebäude der Vorburg verwüstet worden zu sein, da das Schloß in der Form der Erneuerung aus dem Ende des 16. Jahrhunderts heute noch steht.

Im 18. Jahrhundert hörten die Bedrohungen und Zerstörungen aul. In Bedburg residierten zeitweise die Grafen Salm-Reifferscheid, bis 1795 die Herrschaft mit dem ganzen linken Rheinufer französisch wurde. Nach dem Frieden von Luneville wurde Bedburg 1801 französische Domäne, diente von 1807 - 1814 französischen Veteranenfamilien als Wohnung, stand von 1814 1820 leer und wurde 1820 - 1822 vorübergehend als Lazarett für Augenkranke der Strafanstalt Brauweiler benutzt. Als es dann 1839 öffentlich versteigert wurde, kaufte es die „Rheinische Ritterschaft'" und eröffnete in Erfüllung einer ihr vom Staate auferlegten Verpflichtung darin nach einer durch die lange Verwahrlosung vorgenommenen "gründlichen Wiederherstellung" am 1. Mai 1842 die "Rheinische  Ritterakademie".

3. Schloß Bedburg. Ansicht von Westen nach der Wiederherstellung.
Vergl. Kunstdenkmäler des Kreises Bergheim, Taf. 1

Diese hat darin bis 1922 - also genau 80 Jahre - bestanden und wird seitdem als Gymnasium in dem um 1850 angefügten Nordwestflügel in veränderter Form weitergeführt.

1922 ging das Schloß mit dem dazugehörigen Gelände durch Kauf in das Eigentum der Gewerkschaft - Union in Neurath über. Damals konnte noch niemand voraussehen, daß das umfängliche, mehr als ein Jahrhundert lang wenig liebevoll behandelte Gebäude schon in dem darauffolgenden Jahre des Ruhrkampfes infolge der plötzlichen Besetzung der Braunkohlengruben bei Neurath durch die Belgier der Werksleitung und dem gesamten Gewerkschaftsbetriebe eine Zuflucht werden sollte. Diese letzte indirekte Auswirkung des Weltkrieges wurde dem Schlosse zu einem ungeahnten Segen. Infolge der zunächst eher aufgezwungenen als freiwilligen Benutzungsnotwendigkeit und den damit zwangsläufig sich ergebenden Instandsetzungsund Einrichtungsarbeiten reifte allmählich der Ent schluß zu.der durchgreifenden, technisch wie ästhetisch gleich hervorragenden Generalwiederherstellung der Gebäudegruppe heran, die wir heute im großen und ganzen vollendet vor uns sehen, und die wir ohne Übertreibung als eine denkmalpflegerische Großtat bezeichnen können.

Doch ehe wir auf diese Arbeiten näher eingehen, muß noch einmal auf die Baugeschichte zurückgegriffen und die kunstgeschichtliche Bedeutung der Anlage klargestellt werden. Wir sahen oben, daß trotz all der Kriegswirren des 13., 15., 16. und 17. Jahrhunderts die beiden nordwestlichen Rundtürme (A u. B) von dem Neubau Johanns I. von Reifferscheid aus der Zeit nach der Jahrhundertwende von 1300 erhalten geblieben sind (Bild 5). Ihr innerer, achteckiger Grundriß weist wieder auf zeitliche Beziehungen zu den sehr ähnlich angelegten frühen Rundtürmen in Merode, Hoensbroeck u.a. hin. Zwischen diesen beiden Türmen befindet sich noch - heute leider beiderseitig durch wenig glückliche Anbauten aus der Zeit der Ritterakademie im 19. Jahrhundert verbaut - eine große Schildmauer, die vermutlich früher in ihrem untersten Teile den Eingang enthielt, durch den man den Binnenhof betrat. Diese Auffassung wird auch dadurch bestärkt, daß nach der ganzen noch heute im Lageplan erkennbaren Situation (Bild 2) die Vorburg nördlich und westlich vorgelagert war, von der aus man das Hauptschloß oder Herrenhaus erreichte. Keinesfalls bestand jedoch der alte Hauptzugang von Südsüdost, wo jetzt der große Weiher vor der Renaissancefront liegt, die in der heutigen Form der Neuerstehung nach dem Truchsessischen Kriege - also von 1590 - 1600 entstammt.

4. Schloß Bedburg. Ansicht der Südostfront nach der Wiederherstellung

Auch von Westen her, wo jetzt der Haupteingang liegt, kann der frühere Zugang nicht erfolgt sein, wenn auch hier der grüßte Teil der späteren - vielleicht früher der zweiten Wirtschaftsvorburg gelegen hat. Es müßten sonst in dieser Front nach ganz andere Torreste erkennbar geblieben sein. Der heutige Eingang mit der reizvollen klassizistischen Portalachsenbetonung, der Trachytfreitreppe und dem kleinen Balkon stammt aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie die Formen der schmiedeeisernen Gitter und das von Löwen gehaltene Alliancewappen des Gralen Sigismund von Salm-Reilferscheid-Bedburg und der Gräfin Eleonora Maria Walpurgis, geb. Gräfin Waldburg-Wurzach. beweisen (Bild 3 u. 8). Im übrigen spricht für den alten Zugang zur Burg von Norden noch die Lage des so oft schwer heimgesuchten Ortes Bedburg und nicht zuletzt. der Grund, daß man gerade bei Wasserburgen die Zugänge gern aus nördlicher Richtung anlegte, damit die ankommenden Freunde und Feinde im vollen Sonnenlicht schneller erkannt werden konnten; während diese selbst ins Licht sehen mußten. Aus dieser Grunddisposilion ergab sich dann auch umgekehrt wiederum die erwünschte Möglichkeit, die zuletzt. zu erreichenden, oft absichtlich abgelegenen Hauptwohnräume der Herrenhäuser nach den Sonnenseiten zu legen (Bild 4 u. 6).

Anschließend an die beiden obenerwähnten Rundtürme erstrecken sich parallel die zwei älteren Gebäudeflügel, deren Mauern jedenfalls auch noch dem mittelalterlichen Bau Johanns I. von Reifferscheid zugeschrieben werden können. Dafür spricht nicht nur der Grundriß mit der charakteristischen Einbindung der beiden - je zwei Außenfronten flankierenden - Rundtürme, sondern vor allem die Mauertechnik und die alte innere Einteilung, die bei den letzten großen Wiederherstellungsarbeiten zutage traten.

Es ist bisher stets angenommen worden, daß der südöstliche Trakt jüngeren Datums sei bzw. z. Zt. des Neubaues aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts zunächst gefehlt habe, obwohl gleichzeitig zwei, weitere Eckrundtürme analog den kurkölnischen Landesburgen des 14. Jahrhunderts Kempen, Zülpich, Brühl a. u. angenommen werden. Dem ist jedoch entgegenzuhallen, daß es nicht nur dem Grundbestreben der damaligen Zeit nach möglichst geschlossenen Anlagen widerspricht, sondern auch sehr unwahrscheinlich ist, daß man gerade auf der sonnigen Südostseite, die die angenehmste zum Bewohnen bildet einen Wohnflügel verzichtet haben sollte. Es kann daher weit eher ange-

5. Schloß Bedburg an der Erft. Grundriß des Erdgeschosses mit Kennzeichnung der vermutlichen Bauperioden

nommen werden, daß auch die schweren Umfassungswände dieses Bauteiles der großzügigen und einheitlichen gotischen Anlage um 1340 entstammen, und - als zweite Folgerung - daß die damals an den Ecken unumgänglichen Flankiertürine, mindestens jedoch der südliche, im Grundriß rechteckig angelegt waren; es müßte sonst zum wenigsten in den Kellern noch irgendein Anhalt für die Rundtürme zu finden sein. Übrigens weisen zahlreiche andere rheinische Burganlagen aus dieser Zeit und den darauffolgenden Jahrzehnten ebensolche Rechtecktürme auf (Merode, Hoensbroeck, Schacsberg, Lechenich, Frens und Harlf u.a.). Die ganz kleine und ungenaue Ansicht Bedburgs bei Merian läßt nicht erkennen, ob die vier dargestellten Türme rund oder eckig waren. Endgültige Aufklärungen hierüber und über den romanischen Vorläufer dieser Burganlage könnten sich wohl nur durch Grabungen ergeben. Nach der Untersuchung der Keller kann gesagt werden, daß im Südwestbau (unter der jetzigen Eingangshalle und anschließend nach Süden) die Reste derin Tuff errichteten Grundmauern einer romanischen Burganlage in die gotischen Kellermauern einbezogen worden sind.

Grundrißausdehnung, Kellermauerwerk und Vorsprung des Südeckbaues scheinen jedenfalls auf einen in ähnlichen Abmessungen vorhanden gewesenen gotischen Wohnturmbau hinzuweisen wie in Lechenich. Die für die Eroberung von 1584 überlieferte starke Zerstörung der Mauern an zwei Stellen auf eienr großen Strecke und eines Turmes wird sich nach dem heutigen Baubefund hauptsächlich auf die Teile der Südfront beziehen, wobei der gänzlich zerstörte Turm der anscheinend gleich große und ebenfalls viereckige Ostturm war, von dem im heutigen Grundriß nur noch die Ansätze zu erkennen sind, dessen Stumpf damals ganz abgetragen wurde (Abb. 5). Der in gleichen Abmessungen gehaltene Südturm wurde um 1590 mit dem ganzen Südtirakt durch Werner von Salm-Reifferscheid in den heute noch vorhandenen Renaissanceformen umgebaut, unter der oben schon angedeuteten Einbeziehung der alten Mauern. In diesem Eckbau mag der ursprüngliche Hauptwohnturm von 1330 zu sehen sein, ähnlich wie in Lechenich, zumal an ihm der zweite alte Brunnen liegt; der andere Brunnen befindet sich an der Hofseite des Nordostflügels, der wohl stets der Küchenbau war, Den Abschluß der letzten großen Bautätigkeit um 1600 bildete der hochragende Osteckbau mit seinen vier kühnen, nur 25 cm starken, im Dachstuhl verankerten, getreppt und geschwungen ausklingenden Schmuckgiebeln. Die zeitliche Aufeinanderfolge geht klar aus den Dachkonstruktionen und der Verwendung der in dieser Südostfassade besonders reich verwendeten Horizontalbänder aus Haustein hervor, die an diesem jüngsten Ostbau oberhalb des Erdgeschosses in der Höhenlage vorspringen (Abb. 7)

Nachzuholen wäre noch, daß die schmaleren, an die Rundtürme anstoßenden Ost- und Westflügel noch prachtvolle eichene Dachstühle in spätgotischer Art tragen, die etwas älter sind als derjenige über den großen Sälen in dem südöstlichen Mittelbau; die Unterschiede sind an den charakteristischen in den ersteren steileren und höheren Andreaskreuzen der Längsverstrebung erkennbar. Diese beiden Dachstühle scheinen noch vor der Zeit des Wiederaufbaues nach 1585 aufgebracht zu sein, obgleich sie viel konstruktive Verwandtschaft mit dem großen jüngsten Dachstuhl des Südosteckflügels haben. Ihre Betrachtung ist sehr lehrreich.

Die an die Rundtürme anstoßenden Flügel waren früher im Innern einschiffig ausgebildet, also mit den bekannten, schweren Unterzügen in den einzelnen Stockwerken überdeckt, während der Südflügel, der ursprünglich wohl den Palas bildete, bei seiner größeren Spannweite von rd. 10 m eine Längsteilung mit Holzsäulen besaß, wie sie in Konradsheim bei Lechenich noch anzutreffen ist. Den Beweis für diese Annahme liefert die Kellereinwölbung, die unter den beiden schmalen Trakten aus ungeteilten Längstonnen, unter dem breiten Flügel aber aus Quertonnen über sehr kräftigen Gurtbögen mit wuchtigen Mittelpfeilern in der Längsachse besteht. Über diesen Mittelpfeilern standen die Säulen der Obergeschosse, Die Außenseiten des Nordostflügels zeigen noch die ziemlich unveränderte gotische Frontenausbildung.

Von den beiden Hauben über den Rundtürmen ist die westliche mit Ausnahme der inneren Fußkonstruktion barock, also neueren Datums, dagegen der nördliche Helm im Kern noch gotisch mit einer später aufgesetzten - jetzt leider ganz geschlossenen und vielleicht später wieder einmal zur Erhöhung des malerischen Reizes zu öffnenden - Laterne aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Diese achtseitige Laterne hatte - wie das innere Zimmerwerk verrät - früher vier Fenster, die mit geschlossenen Feldern wechselten (Bild 6). Ob hier der Astrologe Werners von Salm-Reifferscheid ähnliche Deutungen aus den Gestirnen zu entziffern suchtce wie nur eine Gencration später im fernen Osten Seni für Wallenstein?! Bei Tage wird dieser Auslug dem Türmer an dieser den Zugang beherrschenden Stelle Dienste geleistet haben, nachdem die mittelalterlichen - die ursprünglichen Spitzhelme außen zu Dreiviertel umziehenden - Turmwehrumgänge aufgegeben und mit dem jetzigen unteren Schleppdachteil überdeckt worden waren. Die Turmmauerkronen geben im Innern über den ehemaligen Zustand der Turmgalerien, die durch einen Wehrgang über der Schildmauer verbunden waren, ausgezeichneten Aufschluß.

Besonders charakteristisch für die Wiederherstellung von 1590 sind die beiden neu eingeschobenen Renaissancetreppenhäuser mit geraden Läufen und Mittelwänden, nachdem man sich durch die ganze Gotik fast ausschließlich mit Wendeltreppen beholfen hatte (Bild 5), Auch die steilen Walme auf dem Südeckbau, die so auffällig an den Eckbau von Leerodt erinnern, gehören dieser Zeit an! (Bild 3,4,6).

Jedoch das Hauptstück der ganzen Anlage und das kunstgeschichtlich bedeutsamste Bauglied des Schlosses wird durch die prächtige zweigeschossige Säulenarkade im Binnenhof gebildet, die bisher allgemein der gleichen großen Erneuerung nach 1588 zugeschrieben wird. Ihre klassisch schönen Proportionen, der scharf und feingliedrige Schnitt der Profile und der so strenge -  vielleicht sogar etwas schulmäßige Aufbau des Systems legen die Vermutung nahe, daß diese Arkade schon früher - etwa um 1560, also schon bei dem Ausbau durch Graf Diermanrn v. Neuenahr entstanden sein könnte.

6. Schloß Bedburg an der Erft. Ansicht von Osten mit dem großen Weiher nach der Wiederherstellung

Ihr Aufbau fällt mit der Errichtung der beiden geraden Treppenhäuser  bestimmt. zusammen, wie aus der absoluten Übereinstimmung der Wandkonsolen aus Blaustein, die zierliche Rosetten zeigen, hervorgeht. Der italienische Ursprung ist unleugbar. Man wird unwillkürlich an die Höfe Norditaliens erinnert. Hier wie dort kreisrunde Medaillons in den Bogenzwickeln; in Bedburg enthalten sie - soweit noch vorhanden - römische Kaiserporträts (Bild 9 u. 10). Eine gewisse Verwandtschaft mit der Erdgeschoßarkade in Schloß Rheydt, der verbauten Arkade in Myllendonck, der nur aus Resten bekannten in Schloß Hambach bei Jülich sowie der nur noch aus einem Gemälde des Malers A. Reuter von 1795 bekannten, aber ebenfalls inzwischen verschwundenen in Schloß Hülchrath liegt vor. Doch übertrifft diejenige von Bedburg alle anderen an klassischer Reinheit, ganz besonders auch die späteren, von den Niederlanden beeinflußten Arkaden in den Schlössern Leerodt, Schaesherg und Honsbroeck, die ebenfalls noch die toskanische Säulenordnung aufweisen. Bedburg scheint älter als die meisten zu sein und dann einigen als Vorbild gedient zu haben. Nur die beiden Arkaden in Hambach (1531) und in Binsfeld (1533) sind nachweislich älter, zeigen dafür aber auch noch stark gotisierende Detailbehandlung.

Es lag nahe, diese Arkade mit Alessandro Pasqualini aus Bologna, dem Hofarchitekten Herzog Wilhelms des Reichen von Jülich, dem Schöpfer des dortigen großartigen Zitadellenschlosses, zusammenzubringen. Aber die Bedburger Renaissanceformen sind nicht nur der schwülstigen Bossensäulen-Renaissance von Jülich, die wir auch an dem von dort beeinflußten Westflügel in Rheydt wieder vorfinden, absolut wesensfremd, sondern vor allen Dingen starb Alessandro Pasqualini schon 1559 nach längerer Krankheit auf einer Reise zum Ausbau der Sparrenburg bei Bielefeld. Auch sein Sohn Maximilian Pasqualini, der Amt und Aufgaben seines Vaters als 25jähriger übernahm, kann nicht als Schöpfer der Bedburger Arkade angesehen werden, wenn diese tatsächlich der Wiedererstehung nach 1588 angehört, weil er schon 1572, also 12 Jahre vor der großen Zerstörung von Bedburg, starb. Außerdem ist nicht anzunehmen, daß er Aufträge in einem gegnerischen Territorium angenommen hätte. Ihm folgte zunächst sein Bruder Johann Pasqualini, weil die Söhne Maximilians, Johann (II.) und Alexander (II.), noch ganz jung waren, als ihr Vater starb. Er war 1568 schon für Kleve und Mark als Oberbauleiter bestellt worden. 1573 wird er auch für Jülich, Berg und Ravensberg zum Baumeister ernannt. Er kann als Urheber für die Bedburger Arkade in Frage kommen, wenn sie vor 1580 errichtet wurde. Sonst bleibt nur noch die Möglichkeit, daß sein Neffe Johann (II.), der 1586 als Hofarchitekt bestellt wird, der Schöpfer der Arkade ist, zumal wir von ihm wissen, daß er in Italien zu Studienzwecken geweilt hat. Vielleicht hat er ein dort maßstäblich aufgenommenes Vorbild oder eine Vorlage in Bedburg frei kopiert und den dortigen beengten Raumverhältnissen eingepaßt. Sein jüngerer Bruder Alessandro (II.), dessen Auftreten früher durch die in den Nachrichten oft nur vorkommende Benennung Pasqualini zu dem großen Irrtum eines fast 100jährig wirkenden Greises geführt hat, ist architektonisch weniger hervorgetreten.

Es gibt auch Stimmen, die die Arkade dem Bildhauer und Maler Joist de la Cour (auch Josse de Lacourt) zuschreiben. Aber dieser war viel zuwenig Archilekl, sondern fast ausschließlich Steinmetz, so daß er in Bedburg einen Architekten hätte zur Seite gehabt haben müssen. Aber zwei stärkere Gründe sprechen noch gegen seine Autorschaft als Entwerfer der Arkade: Als Niederländer französischer Abstammung hätte er aus sich wohl nie so streng klassisch italienisch schaffen können - sind ja doch auch seine Bildwerke von ganz anders freisprudelnder Art (vgl. die Arbeiten im Schloß Horst) - und außerdem starb er schon zwischen 1578 und 1580, also ebenfalls 10 Jahre vor der großen Neubauzeit, in die man bisher die Arkade noch ansetzte. Die viel umstrittene Frage der Entstehung der Bedburger Arkade ist hier absichtlich etwas breiter behandelt worden, da verschiedentlich unbegründete Theorien aufgestellt und verbreitet worden sind. Vorläufig wissen wir also von dem Schöpfer dieses bedeutungsvollen Werkes nichts Bestimmtes. Hoffentlich führt ein glücklicher Archivfund oder eine zeitlich nähere Datierung einmal eine endgültige Klärung herbei.

Es ist aber noch eine eigene Beobachtung für das Entstehen der aus Italien stammenden Renaissancearkaden in Deutschland von Wichtigkeit. Wie der Querschnitt des Westflügels in Bedburg zeigt, ist der Dachstuhl unsymmetrisch ausgebildet, und zwar offenbar mit Rücksicht auf eine an der inneren Hofseite umlaufende, im Obergeschoß auf Stichbalken ausgekragte und unter das hier geschleppte Hauptdach gezogene Holzgalerie, wie wir sie noch in Konradsheim und an einigen Wirtschaftsburgen in späteren Beispielen recht gut erhalten kennen. (Bodenheim, Bürvenich, Heimerzheim, Firmenich, Horbell u. a.) Auch Burg Binsfeld, die sehon 1533 also 2 Jahre nach der ersten Hambacher Arkade - ihre wundervolle und die älteste, jetzt noch erhaltene zweigeschossige Bogenhalle erhielt, zeigt im Querschnitt die gleiche, ganz ungewöhnliche und anders gar nicht zu begründende, unsymmetrische Dachkonstruktion, die auf eine hölzerne Galerievorgängerin hindeutet. Diese Holzgalerien mußten früher an Stelle von Korridoren den Verkehr in den Obergeschossen vermitteln und die dicht aneinandergereihten Räume einzeln zugänglich halten, weil man Flure und Gänge noch nicht kannte. Die gewagte und leicht. angreifbare, ausgekragte Holzkonstruktion führte aber bei den Belagerungen und Eroberungen mit den üblichen Brandschalzungen immer zuerst zu

7. Schloß Bedburg. Schrägansicht der Südostfront von Südwest gesehen (zu beachten das Vorspringender Horizontalgesimse in der hinteren Ecke!)

Zerstörungen dieser empfindlichsten Teile. Dann kam die Renaissance mit ihren neuen Einflüssen. Man überlegte sich, wieviel zweckmäßiger und haltbarer den Bränden gegenüber eine Ausführung in Stein sein würde. So wurden die Holzgalerien durch die offenen Steinarkaden ‚‚im neuen Baustile'" ersetzt oder auch dort ganz neu vorgebaut, wo man sich bisher primitiv ohne Galeriegänge beholfen hatte. Der nächste Schritt, der dann schon in Rheydt - wenn auch erst einige Jahre später - getan wurde, ist der geschlossene Korridor im dortigen Obergeschoß. Daß die Bedburger Arkade eine Holzgalerie ersetzt hat, geht auch schon daraus hervor, daß man sich nicht gescheut hat, sie in den vorhandenen ziemlich engen Hof hineinzuquetschen, wobei man sie gegen die sonnigsten Hauptwohnflügel als Flure legte und den kalten Nordtrakt unberührt ließ. Für eine an drei oder gar vier Seiten umlaufende Arkade war der Hof vielzu eng. Ob die Niederlegung des Nordostflügels zur Erweiterung des Hofes jemals in Erwägung gezogen worden ist, läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit feststellen, sondern nach der Ausdehnung des Osteckbaues nur vermuten, Dann hätte aber auch der Nordturm fallen müssen.

Dieser baugeschichtlich so bedeutsamen Architekturanlage hat das 19. Jahrhundert übel mitgespielt. Da man bei der Einrichtung der Ritterakademie geschlossene Flure wünschte und auch im 2. Obergeschoß des Südwestflügels einen Korridor aufbauen wollte, wurden - ganz ähnlich wie in Myllendonck - die Arkaden einfach zugemauert, so daß die Säulen in den neuen Wandungen nahezu ganz verschwanden.  Dieser grausame Entschluß scheint dadurch noch erleichtert worden zu sein, daß einige Säulen bedenkliche Risse zeigten, so daß man ihnen keine rechte Tragfähigkeit mehr zutraute. Jedenfalls mußten bei den jüngsten Freilegungen der Arkade etwa 10 geborstene Säulen durch neue ersetzt werden.

In den ältesten Akten der Rheinischen Denkmalpflege befindet sich bei den Verhandlungen über weitgehende Instandsetzungen an den Schloßgebäuden ein Gutachten des ersten Provinzialkonservators der Rheinprovinz, Prof. Dr. Clemen, worin dieser schon im September 1898 die Wiederherstellung des Arkadenhofes in Bedburg als des kunstgeschichtlich wichtigsten Teiles des Schlosses als Hauptziel bezeichnete. Es ist dann interessant, zu verfolgen, daß der damalige Oberpräsident von Nasse in einem Schreiben an den derzeitigen Hauptmann der Rheinischen Ritterschaft, den Generalobersten Frhr. von Loë, die Ansicht des Konservators, die Arkaden freizulegen und mit großen Fenstern zu schließen, nicht teilt, sondern erklärt, sie müßten dann auch offen bleiben, was sich aber mit den Aufgaben der Anstaltsbenutzung nicht vertrüge und die damaligen schwebenden Wiederherstellungskosten um 20-25 000 Mark verteuere. Dadurch blieb alles beim alten. 1908 wurden wieder größere Arbeiten am Binnenhof - und u.a. sogar eine Glasüberdachung - in Erwägung gezogen, wie man beispielsweise in Schloß Gudenau den innersten Hof überdeckt hat. Dann wurde aber wieder von jeder Veränderung abgesehen, weil man die mit der Freilegung unvermeidlich verknüpften technischen und ästhetisch-denkmalpflegerischen Konsequenzen ebenso scheute wie die Kosten. Vor dem Weltkriege geschah dann nichts mehr.

Der so überaus weitsichtige Zugriff des Generaldirektors Metz im Jahre 1922 führte nach den langen Vernachlässigungen zu den ersten Instandsetzungsarbeiten und damit pflichtgemäß auch zum neuen Eingreifen der Denkmalpflege bei Gelegenheit einer Ortsbesichtigung im November dieses Jahres. Merkwürdigerweise war es wieder der Binnenhof, der den Anstoß zu den Verhandlungen gab, da hier der Verputz der Wände erneuert und heller ausgeführt werden sollte, damit der bisherige düstere Eindruck behoben würde. Der kurz darauf erfolgende passive Rhein- und Ruhrkampf brachte die Vertreibung der Gewerkschaft aus Neurath und damit eine überstarke Belegung des Schlosses mit Büros und Beamtenfamilien der Zeche. Wenn nun auch dieser ziemlich gewaltsame Umschwung zunächst eine kurze Unterbrechung der begonnenen Instandsetzungsarbeiten nach sich zog, so reifte doch infolge wiederholter örtlicher Verhandlungen mit dem Provinzialkonservator auch bei der bis dahin mit denkmalpflegerischen Interessen und Problemen noch nicht in Berührung geratenen

8.Schloß Bedburg. Jetziger Haupteingang auf der Südwestfront.

neuen Eigentümerin die Erkenntnis bald heran, daß, wenn man eine das umfängliche Schloßgebäude ganz oder teilweise umfassende Wiederherstellung in Angriff nehmen wollte, man nur systematisch, gründlich und den erprobten Richtlinien der Denkmalpflege entsprechend vorgehen dürfe. Es muß hier unumwunden anerkannt werden, daß der neue Bauherr nach kurzem anfänglichem Zögern wegen der für ihn neuartigen Forderung auf Berücksichtigung der Denkmalpflegeinteressen sich mit seltenem Verständnis den vorgetragenen technischen wie ästhetischen Gedankengängen für die sich immer umfangreicher herausstellenden Arbeiten anschloß. Dadurch war von vornherein eine gediegene Basis für ein harmonisches und erfolgreiches Zusammenarbeiten von Bauherrn und Denkmalpflege gewährleistet, was selbstverständlich nicht ausschloß, daß die vielfachen Möglichkeiten für die Ausführungen in sehr zahlreichen und eingehenden Besprechungen nach allen Richtungen hin erst gründlich erörtert wurden.

Man begann logischerweise nicht gleich mit der schwierigsten Aufgabe, der Lösung des Arkadenhofes, sondern mit der Instandsetzung der baulichen Substanz und vornehmlich der Außenhaut. Im September 1923 wurden zunächst zahlreiche Proben für die Ausfugung der großen Backsteinfronten angesetzt und so lange Versuche angestellt, bis nicht nur für die Flächenwirkung, sondern auch handwerklich das Richtigste getroffen zu sein schien.

9. Innenhof mit den freigelegten Renaissancearkaden nach der Neugestaltung.

Die Folge dieses Entschlusses der Neuausfugung und Bereinigung der Fassaden, die dann ja auch bis zu den Hauptgesimsen und Giebelbekrönungen eingerüstet werden mußten, führte konsequenterweise zu dem sehr einschneidenden Entschluß, die schauderhaften und gänzlich undichten Notfenster aus der Zeit der Ritterakademie - es waren weit über 100 - herauszunehmen und durch solche früherer Form wieder zu ersetzen. Einige ursprüngliche Fenster mit den originalen Steinkreuzteilungen und den eisernen Kloben für die äußeren Schlagläden der unteren Fensterteile waren noch verstreut als Muster vorhanden. Diese Aufgabe allein, deren prächtigen Erfolg wir heute von allen Seiten mit besonderem Genuß betrachten können, wuchs sich so im Handumdrehen zu einer zuerst kaum geahnten Größe aus (Bild 3,4,7,8). Für die Beschaffung des erforderlichen Hausteinmaterials konnten in dieser Zeit der alles verschlingenden, schlimmsten Inflation im Sommer und Herbst 1923 glücklicherweise noch einige Steinlager in Köln aufgekauft werden. Die Arbeiten schritten verhältnismäßig schnell voran. Im November 1923swurden schon die obersten, z. T. früher schon abgestürzten Abdeckungen der hohen Schweifgiebel am östlichen Renaissanceeckbau gesichert bzw. ergänzt. Für die Steinkreuzfenster nebst ihrer Verglasung und den eisenbeschlagenen, verdoppelten Läden wurden die Einzelheiten in dem Bestreben entworfen, nicht nur Altes zu kopieren, sondern das Neue so einzukomponieren, daß der ursprüngliche Gesamteindruck wiederhergestellt wurde, aber im Detail die neuzeitliche Ergänzung stets erkennbar blieb, damit so keinen anachronistischen Trugschlüssen Vorschub geleistet würde. Auf die zeitliche Verschiedenheit der Entstehung der einzelnen Bauteile mußte selbstverständlich auch entsprechende Rücksicht genommen werden (Bild 4 u. 6). Zu dieser Zeit - Winter 1923 bis 1924 - tauchten auch schon die ersten Pläne für die ästhetische Sanierung der gesamten Umgebung des Schlosses, der Wirtsghaftsgebäude, der Wassergräben und des Parks, sowie für die gesamte innere Wiederherstellung auf; letztere konnte bei der starken Belegung nur umschichtig ins Auge gefaßt, werden.

Kaum hatte die Markstabilisierung die Aussicht auf geordnetere finanzielle Verhältnisse und dadurch wiederum auch für eine geregelte Planung gebracht, als im Januar und Februar 1924 die Umgestaltung des Arkadenhofes wieder in den Vordergrund der Diskussion trat. Der Unteizeichnete, der seit 1922 in engster Fühlung mit dem Bauherrn gearbeitet hatte, wurde gebeten, die Lösung dieses schwierigsten aller vorliegenden Probleme sich ganz besonders angelegen sein zu lassen, was dann auch in zahlreichen zeichnerischen Versuchsskizzen geschah.

Inzwischen hatten sich die architektonischen Aufgaben jedoch schon derart ausgewachsen, daß man für die eigentliche Planung und Bauleitung - namentlich bei der inneren Ausstattung - einen Architekten heranziehen mußte, der in dem Kölner Willi Felten gefunden wurde. Dieser neue Griff des Generaldirektors Kann als recht glücklich bezeichnet werden. Felten, der sich anfänglich noch in der Auffassung bewegte, in diesem alten Renaissancebau italienische Renaissance kopieren zu müssen, fand sich doch auch ebenso schnell in die denkmalpflegerische Forderung, daß solches Wiederholen früherer Baustile nicht am Platze ist, sondern daß vorsichtig und mit Takt modern fortentwickelt werden muß, da jede Zeit ihr Anrecht zur Auswirkung hat und auch nur dann vollwertige Leistungen von Dauerwert vollbracht werden können, wenn aus dem eigensten Kunstgefühl der jeweiligen Epoche heraus geschafft wird. Felten arbeitete zunächst noch mit dem Architekten Linner zusammen und übernahm im großen und ganzen den völligen inneren Ausbau, wie wir ihn heute vor uns sehen, selbstverständlich in steter, aber gänzlich freier Fühlungnahme mit der Denkmalpflege. Im Februar 1924 waren die im Obergeschoß des Südwestflügels gelegenen Direktionszimmer bereits fertiggestellt. Bei der Herrichtung der Vertäfelung für das anschließende gemütliche, achteckige Turmzimmer fanden sich große Schäden im Mauerwerk infolge früher vermauerter Durchgänge und einer ehemaligen, im Mauerkern ausgesparten Wendeltreppe, die im obersten Turmgeschoß heute noch begehbar ist.

Da unterdessen die schwierige Planung für die Wiederherstellung der Arkade weiter herangereift war, wurden im Frühjahr 1924 die statischen Sicherungen eingeleitet, die sich hier inzwischen als unumgänglich herausgestellt hatten. Die Auswechselung der anscheinend durch frühere Brände oder durch Überbelastung gesprungenen zehn Säulen aus sogenanntem Aachener Blaustein ist schon erwähnt. Auch ein Teil der den Gewölbeschub aufnehmenden eisernen Zugstangen wurde neu verankert.

Die Schwierigkeit des Problems des Arkadenhofes lag in folgenden, schwer zu vereinigenden Aufgaben: Die Freilegung der Säulenstellungen in beiden Geschossen war die selbstverständliche Grundforderung. Aber für die dauernde zukünftige Benutzung mußten die Gänge verglast werden. Wie sollte diese Verglasung an die runden Säulen angeschlossen werden und bei der erheblichen Achsenbreite Halt bekommen? Die Lösung wurde dadurch noch wesentlich erschwert, daß die Säulen für die ihnen zugemutete Belastung an sich schon reichlich schwach sind, und daß überdies die westliche Langseite den im 19. Jahrhundert sehr massiv aufgebauten Korridor im 2. Obergeschoß trägt, der aus Gründen des inneren Betriebes beibehalten werden mußte, weil sonst die angeschlossenen Räume nahezu unverwendbar wurden. Diese Überbelastung konnten namentlich die Erdgeschoßsäulen

10. Schloß Bedburg. Einzelheiten von der Säulenarkade im Binnenhof.

nicht aufnehmen. Es mußte also eine mittragende Hilfskonstruktion gesucht werden, die die Säulen entlastete, die aber aus künstlerischen Gründen selbst wieder so leicht und untergeordnet erscheinen sollte, daß die alte Renaissancearchitektur der Säulenarkaden das Hauptmotiv blieb.

Es lag nahe, diese Lösung in einer frei angewendeten und modern fortentwickelten Kreuzgangmaßwerkaufteilung zu versuchen. Aber alle Entwürfe nach dieser Richtung (es waren wohl 50 Varianten gezeichnet) konnten auf die Dauer nicht befriedigen, bis der Unterzeichnete auf den Gedanken kam, die Untergliederung in allereinfachster Weise so zu versuchen, daß die oberen, statisch unsicheren Halbkreisbögen mit leerbogenartigen Betonscheiben zugestellt werden sollten, die dann wiederum auf je zwei eisenarmierten Stützen ruhen würden. Die Aussparung von je drei kleineren Zwischenbögen ergab sich zur Beibehaltung des Linienflusses, aus statischen Erwägungen und aus Gründen einer möglichst leicht wirkenden Konstruktion von selbst. Da die Arkatur auf diese Weise nach keiner Seite hin mehr ausweichen konnte, selbst wenn an irgendeiner Stelle einmal schräge Druckbeanspruchungen auftauchen sollten, war die denkbar beste statische Sicherung gegeben. Die ganze übrigbleibende Belastung war eine vertikale, die zur Entlastung der Kalksteinsäulen auf die neuen Zwischenstützen mitverteilt wurde.

Nun galt es noch die künstlerische Form finden, die diese aus der Not geborene Hilfskonstruktion dem gegebenen, hochwertigen Rahmen würdig eingliederte. Auch hierbei mußte wiederum die Säulenbogenstellung das Hauptmoment bleiben. Der Verfasser entschied sich nach den verschiedensten Erwägungen zum Vorschlage der Verkleidung dieser Hilfskonstruktion mit Keramik, weil hierdurch nicht nur reichhaltige künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten gegeben waren, sondern dieses Material auch stets mit der Verglasung eine der Arkatur gegenüber untergeordnet erscheinende Funktion übernahm. Die Gewähr einer unbegrenzten Haltbarkeit kam - sich selbst empfehlend - hinzu.

Für diese Durchbildung der freigelegten Arkade, die technisch sehr einfach Feld für Feld nacheinander vorgenommen werden konnte, wurde zunächst ein Entwurf der ehemals Großherzoglichen Majolika-Manufaktur in Karlsruhe als der damals leistungsfähigsten und bekanntesten keramischen Kunstwerkstatt erbeten, der dann auf einem großen Termin am 17. April 1924 von dem damaligen -Leiter des Werkes, Dr. Dr. Moufang, vorgetragen und im Beisein aller für die gesamten Arbeiten zuständigen Stellen (Provinzialkonservator, Regierung, Architekten und Bauherr) erörtert wurde. Bei dieser Gelegenheit wurden auch alle übrigen bisherigen Arbeiten kritisch betrachtet, lobend anerkannt und die Vorschläge für weitere Ausführungen begutachtet. Das Ergebnis wurde als empfehlende Richtlinien schriftlich niedergelegt.

Inzwischen hatten sich aber auch die Architekten Linner und Felten ebenfalls mit dem Arkadenfreilegungssystem beschäftigt und ihrerseits einen Ideenvorschlag mit einer in Kunststein auszuführenden Betonpfosteneinteilung ausgearbeitet, der am gleichen Tage mit zur Diskussion stand, der aber als technisch und künstlerisch unbefriedigende, allzu starre Lösung abgelehnt wurde.

Der wundervolle, ja faszinierende Entwurf der Karlsruher Werkstätten, der sich auf Vorschlag des Unterzeichneten in seiner Ornamentik an die naheliegende Verwendung von Motiven aus der Fauna und Flora der Braunkohlenzeit anschloß, sollte jedoch ohne Transport und Einbau 150.000 Mark kosten, wobei vorgesehen war, jedes Feld besonders zu modellieren. Einen solchen Betrag nur der Kunst zuliebe aufzubringen, war der Gewerkschaft unmöglich. Infolgedessen traten die Architekten Linner und Felten mit immer neuen, zum Teil in Modellen plastisch ausgearbeiteten Entwürfen für kunststeinverkleidete Betoneinbauten auf den Plan, die jedoch immer noch nicht die logische Einfachheit des Vorschlages der Denkmalpflege erreichten. Für den letzteren wurde inzwischen auch eine Ausführung in Kunststein in Erwägung gezogen, aber von der Denkmalpflege mit dem Hinweis auf den gänzlichen Mangel an Erfahrungen über die Lebensdauer dieses Materials abgelehnt. Karlsruhe entschloß sich unter der Voraussetzung der Vereinfachung der gesamten Reliefplastik und der mehrfachen Wiederholung der Vorwürfe in den einzelnen Feldern zu der äußersten Reduzierung auf 90.000 Mark und später noch einmal unter weiterer Vereinfachung auf 75.000 Mark einschließlich Transport und Einbau. Aber auch diese Summen blieben noch unerschwinglich, was bei der künstlerischen Qualität des Entwurfs allseils lebhaft. bedauert wurde. Die Verhandlungen wogten kampfarlig noch ein halbes Jahr bis zum Herbst 1924 hin und her. In August fand eine Besichtigung der Arbeiten durch den Herrn Staatskonservator der Kunstdenkmäler in Preußen, Ministerialrat Hiecke, im Beisein des Provinzialkonservators Prof. Dr. Renard stattt.

Inzwischen war durch die Ausschmückung der neuen Messegebäude in Köln bekannt geworden, daß man in Frechen bei Köln in der von Direktor Oums geleiteten Steinzeugröhrenfabrik (Fa. Kalscheuer & Co.) auch mit Erfolg dazu übergegangen war, keramische Großplastik herzustellen, zu der Kölner Künstler die Entwürfe lieferten. Die Verhandlungen führten schließlich im November 1921 zu einem auch finanziell tragbaren Ergebnis. Für die Ausführung wurde endgültig der grundlegende Vorschlag des Unterzeichnelen bestimmt und für die Herstellung der in natürlicher Größe anzulegenden Tonmodelle der Kölner Bildhauer Franz Albermann gewonnen. Da mit dem Schwinden des Tones beim Brand und der Tatsache, daß jedes Bogenfeld in Bedburg kleine Abweichungen in den Abmessungen aufweist, gerechnet werden mußte, ergaben sich für die Modelle immerhin erhebliche Vorarbeiten. Auch wurden alle Entwürfe vor dem Brande mit dem Urheber von dem Vertreter der Denkmalpflege, dem Architekten und dem Bauherrn kunstkritisch abgenommen (Bild 9). Die Ausführung dieser für die Schloßwiederherstellung bedeutungsvollsten Aufgabe zog sich jedoch noch fast volle zwei Jahre bis zum Herbst 1926 hin, weil der Brand der großen Stücke geraume Zeit in Anspruch nahm. Leider geben die Abbildungen von der tatsächlichen prunkvollen und doch auch wiederum überaus harmonischen Wirkung nur einen schwachen Begriff. Nebenbei muß noch bemerkt werden, daß die kleinen Mittelsockel im Erdgeschoß aus mehrfachen Gründen eingefügt werden mußten, und zwar zur Fundierung und Verankerung der Fußverbindung der neuen Mittelstützen, zur Verminderung ihrer Knickfähigkeit durch Verkürzung ihrer Länge und zur Ermöglichung der Aufstellung der Heizkörper im Innern. Die Farbe der Salzglasur der Kacheln spielt von Fahlgelb über Braun bis ins tiefe Braunviolett, während die alten Säulen und Gliederungen schiefergraublau sind und von hellem Kalkputz gefaßt werden (Bild 9). Durch einen Steinplattenboden an Stelle des jetzigen Rasens dürfte der Arkadenhof an architektonischer Kraft und Wirkung noch gewinnen, wobei das etwa fehlende Grün durch die schon weitgehende Berankung der Nordostwand genügend ersetzt wird.

Während dieser beiden Jahre 1924 bis 1926 wurde ebenso intensiv an den Außenfronten und der neuen inneren Fassung gearbeitet. Das sich von selbst gegenüber der ersten Zeit einstellende langsamere Arbeitstempo kam der erwünschten Durchreifung der Entwürfe und der handwerklichen Ausführung sehr zugute. Galt es doch nicht nur, dem neuen Verwendungszweck und dem sich allmählich einspielenden Gebrauch des Gebäudes Rechnung zu tragen, sondern auch manche Härten der äußeren und inneren Erscheinung einer befriedigenden Lösung entgegenzuführen.. Hier erwies sich Willi Felten als ein äußerst geschickter und anpassungsfähiger Architekt von nie versagender Phantasie im Detail. Er entwarf neben der ganzen Neugestaltung der Innenräume mit Stuckdecken, Türen und Wandvertäfelungen, Kaminen, Möbeln usw. die Vergitterungen, neue Portale, den veränderten Treppenanlauf im Ostflügel und die der Eingangsachse verwandte, recht wirkungsvolle neue Mittelbetonung der breiten Südostfassade (Bild 4). Die hier angebrachten, gutsitzenden Plastiken :modellierte der junge Kölner Bildhauer Berlin. Ganz besonders aber sind Feltens feinempfundene Entwürfe für die von Wyland dem Schmied in Köln handwerklich meisterhaft gefertigten eisernen Vergitterungen zu nennen. Ebenso darf sein köstliches neues Torwachthaus nicht unerwähnt bleiben, das ein schlichtes und an sich nicht reizloses, aber längst nicht so hochwertiges Barockhäuschen ersetzt hat, das im übrigen recht baufällig war. Auch an der Gestaltung der Schloßumgebung hat er mitgewirkt.

Zur Zeit steht nur noch die endgültige Ausgestaltung der beiden großen Säle im Südostmittelbau aus, die bisher aus verschiedenen Gründen zurückgestellt werden mußte; hoffentlich erhalten sie später ihre ehemaligen Mittelsäulen wieder, weil die Raumgliederung und die statischen Verhältnisse der stark durchgebogenen Decken dies dringend fordern. Als Wunsch darf wohl ferner noch ausgesprochen werden, daß auch die beiden zum Gesamtkomplex gehörenden, recht störenden Verblendsteinvillen an der Straße einmal eine solche Umformung erfahren möchten, daß sie einen ähnlich würdigen Auftakt bilden wie das neue Pförtnertorhaus. Vorschläge liegen schon bereit.

Es ist gar nicht möglich, all der vielen Kleinarbeit dieser Monumentalwiederherstellung zu gedenken, die noch neben den geschilderten Arbeiten geleistet worden ist. Wenn beispielsweise noch erwähnt werden darf, daß die Eingangstreppe ganz abgebaut und neu versetzt wurde, weil zahlreiche Trachythausteine zermürbt waren und das Gitter durch Rost stark zerfressen war, so daß es neu geschmiedet werden mußte, so ist das nur ein kleiner Beweis für die Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit, die bei dem ganzen Vorgehen geübt wurde, und die von dem hohen Verantwortungsbewußtsein gegen über Mit- und Nachwelt zeugt, von dem Bauherr und Bauleitung bei all ihren Entschlüssen getragen wurden. Für diese innere Einstellung des Bauherrn, die mit einer in der Geschichte der Rheinischen Denkmalpflege ganz ungewöhnlichen Opferfreudigkeit und einem sich stets schnell einfühlenden künstlerischen Spürsinn gepaart war, kann man nicht dankbar genug sein, zumal doch auch immer wieder bedacht werden muß, daß diese große Aufgabe gleich nach dem verlorenen Weltkriege in wirtschaftlich schwierigster Zeit geleistet worden ist. Das erhebt und spornt zugleich zu neuen Taten im Dienste unserer rheinischen Heimat an, die an herrlichen, aber auch vielfach äußerst bedrohten Baudenkmälern so überreich ist, daß man nur mit dem Wunsche schließen kann: „Vivant sequentes!"

TH. WILDEMAN, Bonn 1937

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