1.
Schwarz-Rheindorf Südansicht der Doppelkirche
Baugeschichte. Unweit der Einmündung der Sieg in den Rhein
erhebt sich nahe am Rheinufer die Doppelkirche zu Schwarz-Rheindorf
(Bild 1-3). Sie ist als Stiftung des Grafen aus dem Hause Wied in
den Jahren 1149-1151 entstanden. Arnold war zur Zeit der Gründung
Dompropst in Köln und ab 1151 Erzbischof von Köln; gleichzeitig war
er der Reichskanzler des Königs Konrad III. Er ließ die Kirche als
seine Hauskapelle auf seinem alten Familiensitz erbauen. Eine
Steinurkunde, die in die Wand hinter dem Altar der Ostapsis in der
Unterkirche eingemauert ist, berichtet über die Weihe der Kirche.
Sie erzählt, daß die Weihe am 24. April 1151 stattfand, und daß
König Konrad III. und viele hohe Würdenträger der Kirche und des
Reiches anwesend waren, u.a. Otto von Freisingen, der spätere
Kanzler Friedrich Barbarossas, Propst Gerhard von Are, der Bauherr
des Bonner Münsters, die Bischöfe von Lüttich und Meißen. Einige
Jahre nach der Einweihung (1156) starb der Gründer der Kirche und
wurde in seinem Bau beigesetzt. Seine Schwester Hadewigis, die
Äbtissin von Essen und Gerresheim, übernahm die Stiftung. Sie
gründete dort ein Frauenkloster nach der Regel des hl. Benedikt und
baute die Kapelle für ihre Zwecke um, wie uns eine Urkunde von 1173
berichtet; als Hauskapelle war die Kirche ursprünglich als
Zentralbau errichtet worden, und war daher für eine Klosterkirche
wenig geeignet. Daher hat Hadewigis sie nach Westen hin mit einem
Langhause versehen, um einen Raum zu schaffen, wo die Nonnen
ungesehen dem Gottesdienste beiwohnen konnten.
2.
Schwarz-Rheindorf Südansicht der Doppelkirche
Von den
weiteren Geschicken des Stiftes Schwarz-Rheindorf erfahren wir wenig
Bemerkenswertes. Im 14. Jahrhundert wird es in ein freiadeliges
Damenstift umgewandelt. In den folgenden Zeiten hatten Kirche und
Kloster viele Unbilden zu erleiden, namentlich wurden die Gebäude im
16. Jahrhundert während des Truchsessischen Krieges schwer
beschädigt. Ähnliche schwere Zeiten hatte Schwarz-Rheindorf im
Dreißigjährigen Kriege und während der Belagerung Bonns im Jahre
1689 zu erleiden.
3.
Schwarz-Rheindorf Ostansicht der Doppelkirche
Unter dem
Erzbischof Clemens August wurde die Kirche in den Jahren 1747-1752
völlig wiederhergestellt. Nach der 1804 erfolgten Aufhebung des
Klosters wurden die schadhaften Stiftsgebäude auf Abbruch verkauft
und niedergerissen; der Kirche selbst, die jetzt als
Proviantmagazin, Scheune und Pferdestall diente, drohte höchste
Gefahr. Auf eine im Jahre 1828 eingereichte Eingabe des Fürsten zu
Wied hin wurden durch König Friedrich Wilhelm III. die Mittel zur
Wiederherstellung genehmigt, und die Kirche wurde einer
grundlegenden Restaurierung unterzogen. Bei dieser Gelegenheit
entdeckte man die aus dem 12. Jahrhundert stammenden Wandmalereien,
die wohl unter Clemens August übertüncht worden waren. Sie wurden
1854 durch den Maler Carl Hohe und später 1910/11 durch den Maler
Anton Bardenhewer wiederhergestellt. In jüngster Zeit wurden sie
erneut eingehend untersucht und von entstellenden Übermalungen
befreit.
4.
Schwarz-Rheindorf Geundriß der Unterkirche
Im Jahre 1868
wurde die Schwarz-Rheindorfer Kirche zur Pfarrkirche erhoben und der
Pfarrgemeinde Schwarz-Rheindorf zur Benutzung überwiesen.
Baubeschreibung. Der Grundriß der Kirche zeigt deutlich die
Scheidung in zwei Bauetappen (Bild 4). Der ursprüngliche Bau war
eine Zentralanlage, ein quadratischer Mittelbau, an den kreuzförmig
Arme angelegt waren, die nach innen hin konchenförmig abschlossen,
nach außen dagegen eine rechteckige Form aufwiesen. Der östliche Arm
ragte weiter heraus und war innen und außen halbkreisförmig
abgeschlossen. Der Reiz des Grundrisses beruht auf seinen klaren,
einfachen Verhältnissen, auf seiner regelmäßigen Einteilung.
Auffallend sind die gewaltigen Mauermassen bei einem so
verhältnismäßig kleinen Bau. Sie sind aber bedingt durch die Anlage
als Doppelkirche. Auf dem einfachen, aber wenig gegliederten
Unterbau erhebt sich die Oberkirche in sehr viel reicherer und
feinerer Gliederung (Bild 5). Über der Mitte ist dann der gewaltige
Vierungsturm errichtet, der in 4 Absätze unterteilt ist. Einen ganz
einzigartigen Schmuck bildet die Zwerggalerie, die sich um die
ältere Anlage des Zentralbaues herumzicht (Bild 6-8). Es ist nicht
nur eine lediglich dekorativen Zwecken dienende Galerie, die hier in
der Höhe der Oberkirche angebracht ist. Sie ist vielmehr eine Art
Kreuzgang, eine Galerie, die praktisch benutzbar war. In ihrer
überaus reichen Gestaltung mit den vielen Säulen, den plastisch
dekorierten Kapitellen verleiht sie dem gesamten Bau einen ganz
eigentümlichen, malerischen Reiz. Man muß diese Zwerggalerie in dem
Landschaftsbild der Umgebung betrachten, muß das wundervolle Bild
genießen, das sich von der Galerie in das Rheintal ‚inaus bietet, um
ihren ganzen Zauber zu erfassen. - Die Galerie ist aber keineswegs
lediglich ein Schmuckglied; sie hat auch richtige statische
Funktionen zu erfüllen, der Baumeister hat die Galerie benutzt, um
den Druck, den die Gewölbe der Oberkirche ausüben, auf die starke
Mauer der Unterkirche zu überführen, eine Bauweise, die erst in der
Gotik zu ihrer vollen Geltung gekommen ist. An die ältere
Zentralanlage, die vor 1156 fertig gewesen sein muß, schließt sich
das etwas später angebaute Langhaus der Äbtissin Hadewigis an. Durch
den Anbau zweier Joche wurde die Idee des reinen Zentralbaues
zerstört, die Erweiterung war aber bedingt durch die neue
Bestimmung, die die Kirche mit dem Tode Arnolds erhielt. Die
ehemalige Westmauer, die das Portal enthalten hatte, wurde
durchbrochen, die Gewölbe der Halbkuppel wurden durch drei Bogen
unterfangen, und so wurde die Verbindung von Zentralbau und Langhaus
hergestellt.
5.
Schwarz-Rheindorf Querschnitt durch die Doppelkirche
Der
ursprüngliche Bau der Schwarz-Rheindorfer Kirche ist eines der
seltenen Monumente, das ganz aus einem Guß in der verhältnismäßig
kurzen Bauzeit von 2 Jahren entstanden ist. Die geistreiche
Komposition, die Art, wie sich der Bau höchst einheitlich in die
Höhe staffelt, das hier so reizvoll gestaltete Motiv der
Zwerggalerie, alles dies macht die Kapelle zu einem der
bedeutendsten Bauwerke im Rheinland.
6.
Schwarz-Rheindorf Blick in die Zwerggalerie
7.
Schwarz-Rheindorf Zwerggalerie (Nordseite)
8.
Schwarz-Rheindorf Zwerggalerie (Chorumgang)
Wandmalereien. Nicht allein der architektonische Aufbau verleiht
der Doppelkapelle zu Schwarz-Rheindorf ihre Bedeutung. Nicht an
letzter Stelle ist auf die Wandmalereien hinzuweisen, die die Wände
der ehemaligen Zentralanlage der Unterkirche sowie der Oberkirche
bedecken; nach einem einheitlichen großzügigen Plan sind sie auf die
ganze Kirche verteilt (Bild 9, 16). Die Ausmalung der Unterkirche
war, wie aus Urkunden hervorgeht, vor dem Tode Arnolds von Wied
fertiggestellt, fällt also in die Jahre 1151-1156. Da in den
Wandmalereien der Oberkirche, die eine ganz andere Hand verraten,
die Äbtissin Hadewigis mit den Patronen ihrer Abteien dargestellt
ist, darf mit Recht angenommen werden, daß jene später, in der Zeit
nach der Übernahme durch Hadewigis, gemacht worden sind; sie sind
mithin nach 1173 anzusetzen.
9.
Schwarz-Rheindorf Blick in die Unterkirche
Die
Darstellungen in den Gewölben der Unterkirche schildern die Visionen
des Propheten Ezechiel (Bild 10—15). Der Prophet, der Sohn des
jüdischen Priesters Buzi, begleitete den König Joakim 597 v. Chr. in
die Verbannung. Dort wird ihm der Abfall des jüdischen Volkes, sein
Untergang und die Zerstörung des Tempels prophezeit. Ezechiel erhält
den Befehl, in die Ebene des Tales herabzusteigen, er soll dort das
bevorstehende Strafgericht Gottes verkünden. Es folgt die
Prophezeiung vom Untergang: wie das Barthaar und Haupthaar des
Propheten verbrannt, zerhauen und in den Wind geworfen wird, so wird
es auch Israel ergehen. Es folgt die Vision, in der Ezechiel mit
eigenen Augen die Götzendienerei der Juden sieht; im Anschluß daran
wird das Volk vernichtet und die Stadt verbrannt. Die letzten
Visionen befassen sich mit der Wiederherstellung Jerusalems und dem
Aufbau des neuen Tempels.
10.
Schwarz-Rheindorf Erläuterungstafel
Das Buch
Ezechiel hatte von jeher die altchristlichen und mittelalterlichen
Künstler zu bildlichen Darstellungen angeregt. Immer mehr wird mit
der Zeit der Inhalt der Prophezeiungen mit der christlichen
Heilslehre in Verbindung gebracht, so daß schließlich Ezechiel
selbst als ein Vorbild Christi erscheint, alle Einzelheiten der
Visionen auf die Geschehnisse des Neuen Testamentes bezogen werden.
Der Charakter des Schwarz-Rheindorfer Zyklus ist wenig volkstümlich.
Es ist aber kaum verwunderlich, daß bei einem so berühmten und
gelehrten Auftraggeber, wie es Erzbischof Arnold von Wied war, ein
derartig scholastisch anmutender Stoff in aller Konsequenz
durchgeführt wird.
11.
Schwarz-Rheindorf Übersicht über Gemälde der Gewölbe der
Unterkiorche
So tragen die
Gewölbemalereien der Unterkirche die Darstellungen der Visionen, die
Gemälde der ‘Wände enthalten dagegen Wiedergaben aus dem, Neuen
Testament, die ebenfalls nach ganz bestimmten Gesichtspunkten
ausgewählt sind und mit den Gewölbemalereien in innerem Zusammenhang
stehen.
Im westlichen
Kreuzarm sehen wir die Reinigung des Tempels, in der südlichen
Konche die Verklärung Christi auf dem Berge Tabor (Bild 14), in der
Nordkonche endlich die Kreuzigung mit den Nebenszenen der
Händewaschung des Pilatus und der Beratung über den Rock Christi.
Die Ostapsis enthält die Darstellung Christi in der Mandorla, in der
unteren Zone die Evangelisten und Apostel. Die Fensterlaibungen
haben ebenfalls figurale Darstellungen als Schmuck erhalten, hier
sind die Tugenden in Gestalt 'von 4 ritterlichen Frauen
wiedergegeben, die die Laster bekämpfen.
12.
Schwarz-Rheindorf Salbung der Gerechten
Dann sind noch
die monumental aufgefaßten Königsgestalten zu erwähnen, die sich in
den Nischen der vier Seitenwände des südlichen und nördlichen
Kreuzarmes befinden. Sie stellen entweder große deutsche Könige dar,
oder es können Wiedergaben der größten jüdischen, antiken,
altchristlichen und mittelalterlichen Herrscher sein.
Die Malereien
der Oberkirche stehen in der Qualität-sehr wesentlich hinter denen
der Unterkirche zurück (Bild 16—19). In der Apsis ist Christus als
Weltrichter dargestellt, umgeben von 4 Heiligen und von Erzbischof
Arnold von Köln und seiner Schwester Hadwigis. Auf der Wand darunter
sind 10 stehende männliche Heilige und ein Engel angebracht.
13.
Schwarz-Rheindorf Brustbild des Engels aus der Unterkirche
Auf den
Seitenwänden des Chors.ist im Norden Johannes auf Patmos, im Süden
die Darbringung Jesus im Tempel wiedergegeben, das Gewölbe trägt die
Darstellung eines von 2 Engeln getragenen Medaillons (des Lammes),
von 4 Chören von Seligen um Christus, Maria und Ekklesia (Bild 17).
Diese Malereien bilden anscheinend eine Fortsetzung zu den in der
Unterkirche befindlichen. Die Scharen, die sich um das Lamm
versammeln, sind wohl die Berufenen, die sich nach der
Wiederaufrichtung des neuen Jerusalems vereinigt haben. Die gesamte
Darstellung ist eine große Huldigung an das Symbol Christi, auch für
diese Malereien liegt also ein theologisches Leitmotiv vor, genau
wie bei den Malereien in der Unterkirche.
14.
Schwarz-Rheindorf Verklärung Christi
15.
Schwarz-Rheindorf Schlußbild der Visionen Ezechiels
16.
Schwarz-Rheindorf Inneres der Oberkirche
17.
Schwarz-Rheindorf Malerei im Chorgewölbe der Oberkirche
18.
Schwarz-Rheindorf Zwei thronende Könige aus der Unterkirche
19. Johannes
auf Patmos
In diesen
Wandmalereien in Schwarz-Rheindorf haben wir ein einzigartiges
Beispiel für einen derartig einheitlich durchgeführten Zyklus in der
deutschen Malerei des frühen Mittelalters vor uns. Die Großartigkeit
der Anlage verleiht diesen Malereien eine ganz hervorragende
Stellung in der Kunstgeschichte überhaupt, und die gute Erhaltung
bietet die Möglichkeit, sich heute ein annäherndes Urteil über die
Ausschmückung einer mittelalterlichen Kirche zu bilden.
A. WARBURG,
Bonn 1937.
Schrifttum:
Paul Clemen, Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Bonn,
Düsseldorf 1905.
Paul Clemen, Die roman. Wandmalerei der Rheinlande, 1905.
W. Neuß, Das Buch Ezechiel in Theologie und Kunst bis zum Ende des
12. Jahrhunderts mit bes.Berücksichtigung der Gemälde in
der Kirche von Schwarz-Rheindorf, München 1912.
K. Witte, Die Doppelkirche zu Schwarz-Rheindorf, Düsseldorf 1926. |