Die Alte Burg. Dort, wo
aus den uralten Jagdgründen des ausgedehnten Königs- und
Frankenforstes westwärts das Bergische Land aus der Kölner Ebene
emporsteigt, erhob sich schon seit dem 12. Jahrhundert eine
Landesburg der Grafen von Berg (heute nur der alte Bergfried
erhalten), die in den Fehden der späteren Herzöge von Berg gegen Kurköln als befestigter Platz mehrfach belagert und in Trümmer
gelegt wurde (Bild 4), Nach dem Erlöschen des alten Herzogshauses
weilte der neue Landesherr, Herzog Philipp Wilhelm aus dem Haus
Pfalz-Neuburg (1653—-90), der Vater des Kurfürsten Johann Wilhelm,
häufig in der Bensberger Burg. Und so wurden auch hier die
Vorbereitungen zu einer Reise zum Besuche der wichtigsten
Fürstenhöfe Europas getroffen, die der Kurprinz in den Jahren
1674—76 als Siebzehnjähriger unternahm. Außer nach London und Rom
führte ihn die Reise auch längere Zeit an den Hof Ludwigs XIV. nach
Versailles. Die tiefen Eindrücke, die der Jüngling von der
pomphaften Hofhaltung empfing, begleiteten ihn durch sein ganzes
Leben. Kurz nach der Reise übertrug ihm der Vater das Herzogtum.
Das Neue Schloß.
Der
großzügige Plan zu dem Neuen Schlosse in Bensberg mag den Kurfürsten
wohl schon kurz vor der Jahrhundertwende bewegt haben. Seinen
Architekten, Graf Matteo d’Alberti aus Venedig, der ein Schüler der
großen Franzosen Leveau und Hardouin-Mansart war, sandte er im Jahre
1700 nach Köln zur Vorbereitung des Baues (Bild 11). Etwa 1705
scheint das Schloß noch im Rohbau begriffen gewesen zu sein, denn in
diesem Jahre empfing der Kurfürst seinen Freund, den Herzog von
Marlborough, in Bensberg ‚‚in einem prächtigen Zelt, da der Bau noch
nicht bewohnbar war“ (Th. Brosius). Als Datum der Vollendung nennt
eine Inschrift an der Ostseite des Bauwerks das Jahr 1710. Freilich
ganz fertig ist der Bau nie geworden. Die prunkvolle
Innenausstattung blieb nach dem frühzeitigen Tode Joh. Wilhelms
unvollendet. Aber auch schon vorher mag die Erschöpfung der
Geldmittel, die der Riesenbau verschlang, die Arbeiten in
allmähliches Stocken gebracht haben.
Es hat sicher
seinen guten Grund, daß auf der Inschrifttafel nicht nur der
Architekt, sondern auch der Finanzminister, Graf von Schaesberg, der
sich wohl dem Kurfürsten in der Beschaffung der Baumittel besonders
willfährig gezeigt haben mag, genannt ist. - Über das Bauschaffen Albertis ist wenig überliefert. Außer einem Idealplan zu einem
Residenzbau für Düsseldorf oder Heidelberg ist mit Sicherheit nur
bekannt, daß die Kirche der Ursulinerinnen in Köln von seiner Hand
stammt. Er führte sie etwa gleichzeitig mit dem Bensberger Schlosse
aus. (Bauinschrift im Innern der Kirche.) — In der Absicht, in dem
weitausladenden Bensberger Schlosse ein Klein-Versailles zu
schaffen, mögen sich die Gedanken des Kurfürsten mit denen seines
Architekten schnell getroffen haben. Das scheint besonders das noch
(im Heimatmuseum Bensberg) erhaltene Baumodell zu bezeugen (Bild 2).
Es weicht noch ganz wesentlich von dem ausgeführten Bau ab (Bild
1,4,5, 6). Nicht nur in dem Schema der Staffelung der Gebäudekörper
von innen nach außen, sondern auch in der streng gewahrten
Horizontale der Stockwerke finden sich in diesem Vorentwurf
sinnfällige Versailler Anklänge. Die Wahl des Baugeländes, ein sanft
abfallender Bergrücken oberhalb des Ortes Bensberg, scheint die
Planrevision veranlaßt zu haben. Mit sicherem Instinkt wußte der
Architekt dieser örtlichen Lage Rechnung zu tragen (Bild 1,4). Zu
der horizontalen Staffelung fügte er nun auch die vertikale durch
Überhöhung des Mittelbaues um ein volles Geschoß und durch dessen
nochmalige Betonung durch die Mittelkuppel, ferner auch durch
Anordnung von zwei abgetrennt von den Seitenflügeln stehenden,
nochmals nach außen gestaffelten Wachtgebäuden. Diese sind im
vorigen Jahrhundert durch zweigeschossige Bauten ersetzt worden; die
ursprüngliche klare Bauidee wurde dadurch verwischt (Bild 1, 5). Die
ganze Bauanlage thront auf einer großen Terrasse, die auf der
westlichen Vorderseite von einer wuchtigen, mit einer Balustrade
gekrönten. Futtermauer gehalten wird. In Viertelkreisen schwingen
sich die Balustraden abwärts zu den gesimsund bandumgürteten
Pfeilern des dreiachsigen Portales, von dem eine breite Rampe zum
Hofniveau ansteigt (Bild 5). Die „Corps des gardes“ rechts und links
der breiten "place d’armes‘‘ waren langgestreckte eingeschossige
Bauten mit Dachbalustrade und Mansarddach, das auf der vorderen
Hofseite in ganzer Front durch eine freistehende Pfeilerstellung
getragen wurde (Bild 5, 6). Die Pfeiler waren, ähnlich wie die des
Hofportales, mit Bandauflagen horizontal gegliedert, ein Motiv, das
auch am Hauptgebäude wiederkehrt.
Der
Mittelbau (Corps de logis — Bild 5, 6) umschließt mit seinen
kurzen Flügeln die cour d’honneur, die ehemals in ganzer Fläche mit
Marmorplatten belegt war (Versailles). In den Ecken der Flügel
springen zwei turmartige, mit Kuppeln bekrönte Einbauten vor, so daß
hier noch eine dritte Rückstaffelung entsteht, die ein Altan auf
gekuppelten Säulen füllte. An der rückwärtigen Ostseite stößt dieser
mittlere Baukörper, wiederum gestaffelt, plastisch vor (Bild 6, 4).
Hier wird der Baumeister seinem Versailler Vorbilde untreu. Den
frontalen Abschluß der Flügel des Mittelbaues bilden die beiden
Kuppeltürme der ehemaligen Treppenhäuser. Die vierläufigen, von
Eckpodesten unterbrochenen Treppenläufe zogen sich um einen steilen,
von Säulen getragenen Schacht und wendelten sich bis zu den reich
geschmückten Innenkuppeln empor (Bild 6, 9,10). Das Problem reicher
Treppenhausbildungen, die zu den glänzendsten Leistungen des
Hochbarocks gehören, bewegte also den Baumeister noch nicht. — Im
Aufbau zeigt der Mittelbau drei hohe, durch Gurte klar getrennte
Vollgeschosse und darüber ein Mezzaningeschoß. Über dem Erdgeschoß,
das sich auf knappem Sockel erhebt, umzieht ein Gesims mit kräftiger
Schattenwirkung ringsum den Bau, während die übrigen Geschoßgesimse
als einfache flache Bänder ausgebildet sind. Das Hauptgesims zeigt
eine geringe Ausladung und wird über einem Architrav von einem
renaissancemäßig altertümlichen Konsolenfries getragen. Die
Fenstergewände sind in den herkömmlichen klassischen Formen
gestaltet. Die Sturzgesimse werden von Konsolen getragen. Im I.
Obergeschoß wechseln dreieckige und segmentförmige
Giebelverdachungen ab, wiederum ein schon in der Renaissance
beliebtes Motiv. Die Fenster des II. Obergeschosses sind mit
flachen, wie gestanzt wirkenden Ornamenten bekrönt, Formen, die dem
Rollwerk der holländischen Renaissance ähneln.
Seitenflügel. Die beiden um ein
Vollgeschoß niedrigeren Seitenflügel sind knieartig an den Mittelbau
angewinkelt (Bild 1,5,6). Ihre Satteldächer laufen sich hier
unterhalb des Hauptgesimses an den Seitenflächen der Treppentürme
tot. Von den Durchfahrten aus, die in den Knieflügeln liegen,
gelangte man durch noch erhaltene große Portale unmittelbar in die
Treppenhäuser (Bild 6,7). — Die Erdgeschosse der Seitenflügel waren
nach dem Hofe zu in ganzer Länge in offene Arkaden aufgelöst, die im
vorigen Jahrhundert durch Fenster geschlossen wurden (Bild, 5, 6).
Dadurch ist die ursprüngliche tiefe Schattenwirkung verlorengegangen.
Aus den Pfeilern der Bogenstellungen treten je zwei gekuppelte
Pilaster mit Bandauflagen hervor. (Am Baumodell, Bild 2, sind es
glatte toskanische Halbsäulen.) Auch an den westlichen Stirnseiten
der Flügel zogen sich die Arkaden in Form von vorgelegten Altanen
entlang. — Heute macht das Gebäude den Eindruck eines
Backsteinrohbaues im holländischen Sinne. Ursprünglich war es jedoch
mit Kalkfarbe weiß gestrichen. während die Architekturteile mit
grauer Ölfarbe marmoriert waren. Diese Farbgebung unterstrich
zweifellos das italienische Gepräge der Fassadengestaltung.
Im
Innern ist das Gebäude durch spätere
Umbauten bis zur Unkenntlichkeit verändert worden, Ursprünglich war
der Mittelbau durchweg in annähernd gleich große quadratische Räume
aufgeteilt (Bild 6). „Man kann leicht sehen, daß ein Italiener
diesen Bau angegeben hat, denn die Stockwerke bestehen nach seiner
Landesart aus einer großen Menge Zimmer, wo man immer aus einem in
das andere gehet.'" (Rheinischer Antiquarius 1740.) Die Vielgestalt
französischer Raumfolgen hatte auf Alberti offenbar keinen Eindruck
gemacht. Die Wohngemächer des kurfürstlichen Ehepaares füllten das
I. Obergeschoß des Mittelbaues. — In den Knieflügeln der
Seitenbauten waren im Obergeschoß zwei in das Mezzaningeschoß
hineinragende Galeriesäle vorgesehen, deren Ausbau und Dekoration
jedoch nach dem Tode des Kurfürsten unterblieb. Auch viele andere
Räume blieben im Innern unvollendet. In den Seitenflügeln reihten
sich an den Längsfluren über den Arkaden die Zimmer der Kavaliere.
Die Mezzaningeschosse waren durch leichte Trennwände in
Räumlichkeiten für die Dienerschaft unterteilt. Die Wirtschaftsräume
lagen in den Erdund Kellergeschossen der Seitenflügel.
Innenausstattung. Von der ehemals sehr
reichen Raumausstattung, an der der ganze Stamm französischer und
italienischer Maler, Stukkateure, Kunstschreiner usw., die Joh.
Wilhelm an seinem Hofe beschäftigte, teilhatte, ist wenig
übriggeblieben. Noch 1772 erregte die Pracht des Geschauten,
besonders eine große Folge von Jagdgemälden von Jan Weenix (heute in
der Alten Pinakothek in München) Goethes helle Bewunderung (Bild 3).
Unter dem noch Vorhandenen ist die künstlerische Durchbildung der
inneren Treppenhauskuppeln besonders beachtenswert. In die nördliche
Kuppel malte Antonio Pellegrini den Sturz des Phaeton (Bild 9). Aus
rötlichem Gewölk öffnet sich im Kuppelscheitel der lichtblaue
Himmel, aus dem Zeus seine Blitze auf den ungehorsamen Göttersohn
herabschleudert. Jählings stürzt dieser aus seiner Quadriga in die
Tiefe, während die Rosse, des Zügels ledig, sich wild aufbäumen. Der
pastellartig zarte Farbvortrag setzt sich in der unteren Zone in
einer delikaten Grau-in-grau-Malerei fort. Hier lehnen
aufgeschreckte Bockskerle an den Stuckumrahmungen der runden
Kuppelfenster. Dazwischen füllen Adler mit Girlanden in den
Schnäbeln die Flächen. Über dem Konsolgesims am Kuppelfuß sind in
den Raumecken große plastische Gruppen, die vier Erdteile
darstellend, angebracht, und unter den Kuppelfenstern tragen
schwebende Putten Wappenkartuschen mit reichem Akanthus umgeben
(Bild 10). Der Gesamteindruck ist ungewöhnlich reizvoll, besonders
der weiche Übergang von der plastischen Dekoration zum farbigen
Flächenschmuck mit Hilfe der Graumalerei. — Die Südkuppel zeigt ein
ähnliches Motiv: den Sturz der Giganten, von Domenico Zanetti
gemalt. Die Wucht der stürzenden Menschenleiber wird hier durch eine
allzu große Schwere der Farben unterstrichen. Erfreulicher wirkt die
Stukkatur in der Arkade des südlichen Seitenflügels: graziöse
Damenbüsten als Supraporten zwischen dem Wild der hohen Jagd zu
anmutigen Gruppen zusammengefaßt (Bild 8).
Späteres Schicksal. Am 8. Juni 1716 ging mit Joh. Wilhelm die
üppige Blüte des Kunstschaffens am Düsseldorfer Hofe dahin, und das
Bensberger Schloß verödete unvollendet. Der Nachfolger, Philipp
Wilhelm (1716-42), beschränkte seine Interessen auf die Pfalz, wo er
das Mannheimer Schloß baute.
Ihm folgte
Karl Theodor aus dem Hause Sulzbach (1742—99). Auch ihn zog es
während seiner langen Regierungszeit selten von der Pfalz zum
Niederrhein. Schloß Bensberg, der Obhut mehr oder weniger
gewissenhafter Burggrafen anvertraut, mußte so manches seiner
beweglichen Kunstwerke nach Mannheim abgeben. Das Jahrhundert endete
mit Sturm. In den Koalitionskriegen wurde das Schloß, trotz
hartnäckigen Sträubens der herzoglichen Regierung, als kaiserliches
Lazarett für Seuchenkranke eingerichtet (1794). Über 2000 Tote
wurden in jener Zeit drüben im Walde zur Ruhe bestattet. — Die im
Mittelbau magazinierten Kunstschätze wurden nach München gebracht.
Nach den Bqefreiungskriegen diente das Schloß als preußisches
Militärlazarett für Augenkranke, 1838 wurde der Bau zum preußischen
Kadettenhaus umgebaut, hierbei das Innere bedauerlicherweise einer
völligen Umgestaltung unterzogen. Die beiden Haupttreppen wurden
herausgebrochen und an ihre Stelle Stockwerksdecken eingezogen. Neue
Treppen wurden in den Seitentrakten des Mittelbaues angelegt.
Zwischenwände und Mauerausbrüche haben die Räume, aus denen die
Stuckdekorationen rücksichtslos herausgebrochen wurden, bis zur
Unkenntlichkeit verändert. Die innere Staffel des Corps de logis
wurde durch einen Zwischenbau ausgefüllt (Bild 7, 5), und
schließlich die unvollendet gebliebene Schloßkapelle, die außerhalb
des Gebäudes auf der Südostterrasse stand (Bild 4), und die Altane
an den Seitenflügeln ganz beseitigt. An die Stelle der verfallenen
Corps des gardes traten die jetzigen zweistöckigen Bauten (Bild
1,5). — Es war einer der ersten Regierungsakte König Friedrich
Wilhelms IV., daß er seinen Verdruß über diese Mißhandlung des
Schlosses unverhohlen zum Ausdruck brachte (AKO. vom 27. II. 1841).
— 77 Jahre lang hat der Bau in dieser veränderten Gestalt eine große
Aufgabe erfüllt: Aus dieser Pflanzstätte preußischen Soldatentums
ist eine große Reihe der Offiziere unserer ruhmreichen alten Armee
hervorgegangen. — Besatzungs- und Nachkriegszeit gaben den Bau
völliger Verwahrlosung preis. Doch heute ist ein glückverheißender
Stern über Joh. Wilhelms Schloß aufgegangen: umfangreiche
Wiederherstellungsarbeiten sichern seinen Bestand, und seine
Bestimmung zur Nationalpolitischen Erziehungsanstalt hat ihm eine
wichtige Aufgabe im neuen Reich zuteil werden lassen.
Literatur:
P. Clemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, V, 2.
Th. Levin i. Düsseldorfer Jahrbuch XX, S. 123 ff.
R. Klapheck, Die Baukunst am Niederrhein II, S. 35 ff.
H. Weidner, Die Schloßbauten des Kurfürsten Johann Wilhelm v. d.
Pfalz u. d. westdeutsche Schloßbau um 1700 (Diss. Köln 1924)
Regierungsbaurat DOBISCH.
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